Mal einfach, mal kompliziert

Sehen so die Hoffnungen des deutschsprachigen Indiepop aus? Herrenmagazin und Ja, Panik spielten im Rosi’s

Ab wann wird es peinlich? Oder gibt es eine Schwelle, die man irgendwann übertritt und fortan ist man jenseits aller möglichen Peinlichkeit, hinauf bis ins hohe Alter, so wie einst John Peel?

Auf dem Konzert am Freitagabend im Friedrichshainer Rosi's jedenfalls gehörte der Rezensent sicher zu den ältesten Anwesenden; selbst die Mitglieder der beiden Bands, Herrenmagazin aus Hamburg und Ja, Panik aus Wien, schienen im Schnitt acht Jahre jünger zu sein.

Das Rosi's am Ende der Revaler Straße, also ohnehin weit draußen, ist ein Club, wie man ihn früher selbst einmal sehr gemocht hat. Es gibt einen weiträumigen Innenhof mit Strand (ohne Gewässer), dazu überdachte Rückzugsecken mit gemütlichen Sofas und einer Außenbar. Es gibt sogar eine allerdings linienlose Tischtennisplatte, auf der entsprechend dilettantisch gespielt wird. Der Laden selbst verströmt eine Jugendheimatmosphäre, allerdings auf undefinierbar positive Art, was an seiner Verschachtelung und Uneinsehbarkeit liegen kann.

Worauf will ich hinaus? Ganz genau: Es ist der perfekte Laden für junge Studentinnen und Studenten bis 25. Im Großen und Ganzen rekrutierte sich das Publikum am Freitagabend auch genau aus dieser Altersklasse.

Weiteres Charakteristikum des Ladens: eine unheimlich schlechte Anlage. Wer das Garagengefühl vergangener Tage liebt, ist hier genau richtig. Die beiden Bands, die deutschsprachigen Studentenpop präsentierten, kamen mit den Umständen unterschiedlich klar: Für Herrenmagazin schien alles genau zu passen. Die vier jungen Herren schepperten munter drauf los. Sie prügelten ihren betont einfachen Indierock herunter, schnörkellos und wohltuend, manchmal in den Melodielinien zu vorhersehbar, aber insgesamt sympathisch und keinesfalls langweilig. Das Genre Deutschindierock hat bekanntlich einiges Grauenerregendes zu bieten, der Bassist von Herrenmagazin, Paul Konopacka, sah auch ein wenig nach den Sportfreunden Stiller aus, Herrenmagazin sind aber trotz ihres leicht peinlichen Namens eine von den guten. Textlich bewegt sich bei ihnen naturgemäß alles im zwischenmenschlichen Bereich, die Texte, vom irgendwie knuddeligen, uneitlen Sänger Deniz Jaspersen dargebracht, überschreiten aber nur selten die Grenze zum Kitsch. Gut so. Herrenmagazin: unverkrampfter deutscher Indierock, natürlich aus Hamburg. Berliner Bands dieses Genres nehmen sich meistens zu wichtig.

Über Ja, Panik aus Wien stand an dieser Stelle schon so manches. Im Prinzip waren sie im Rosi's ihrem Publikum um einen Schritt voraus. Gedanklich und substanziell. Ja, Panik machen Diskurspop der Sorte, die vom Grübeln inzwischen die Finger lässt und lieber selbstironisch und gern alkoholisiert aufs eigene Tun im Nachtleben schaut. Ihre Bühnenpräsenz treibt jedem Physiotherapeuten die Sorgenfalten auf die Stirn, mit den Soundbedingungen hatten die vier Wiener (an diesem Abend waren nur Jungs auf der Bühne, die gut aussehenden Frauen, mit Brille und Sticker am Rock, standen am Rand und schauten ihnen in reservierter Haltung zu, ansprechen konnte ich sie nicht) am meisten zu kämpfen.

Das Vertrackte, demonstrativ Verstörte ihrer Musik und die noch gerade angenehme Exaltiertheit des Sängers Andreas Spechtl forderten die Tagesform von Publikum und Rezensenten allerdings erst gut, später zunehmend heraus. Ja, Panik sind nicht leicht konsumierbar. Was ihnen nicht immer zum Vorteil gereicht. Sondern manchmal einfach sehr nerven kann. Die neuen Tocotronic, wie mancherorts gemutmaßt wurde, sind sie nicht. Eine Ahnung, was nach dem Studium kommt, konnten sie aber verbreiten. Schöne Aussichten. RENÉ HAMANN