kabinenpredigt
: Die schönen Tage sind vorbei

„Go for Paralympics“, das hört sich gut an. Der Ort der offiziellen Verabschiedung der Berliner und Brandenburger Paraolympioniken nach Peking aber weniger. Es war die Berliner Unfallklinik, wo am Sonntag die insgesamt 19 Berliner und 5 Brandenburger Sportlerinnen und Sportler von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt warme Worte empfingen. Vielleicht passt das sogar, die schnöde Klinik und die etwas spröde Ulla Schmidt. Den Schlossgarten von Bellevue hatten sich Bundespräsident Horst Köhler und die „gesunden Athleten“ als mondänen Abschiedsort ja schon im Juli unter den Nagel gerissen.

Die Zweiklassengesellschaft bei der Orts-und Politikprominenzwahl jedenfalls lässt für die Handikapsportler nichts Gutes erwarten. Denn was in Berlin begann, wird sich in Peking fortsetzen. In einer Lounge eines umgebauten alten Reisspeichers mit dem etwas zu großspurig geratenen Namen „Champions Club“ hatte sich in den vergangenen zwei Wochen die Repräsentanz der Stadt Berlin eingenistet. Dort, mitten in Peking, feierte sich die Hauptstadt. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit war angereist, der scheidende Leiter des Olympiastützpunktes Jochen Zinner und der ehemalige Sportsenator Klaus Böger. Einige Athleten aus Berlin schauten auch mal vorbei. Besonders am „Berliner Abend“ mit Buletten und Glasnudeln.

Der Geist der tiefen Berliner Provinz war also bis in das ferne Peking gezogen. Auch wenn er sich verzweifelt in Weltläufigkeit gewandet hat. Die Happy Days aber sind vorbei. Der Berliner Tross der reisefreudigen Kosmopoliten ist längst an die graue Spree zurückgekehrt. Nun fahren schon wieder Berliner Athletinnen und Athleten in die chinesische Hauptstadt. Eben die aus der Unfallklinik.

Vom 5. bis zum 16. September wetteifern die Paraolympioniken um Gold, Silber und Bronze. Das ist zwar aller Ehren wert, nur leider der Stadt Berlin keinen Champions Club mehr. Bis zum Start der Paralympics ist das ganze Tamtam längst vorbei und die Lounge im alten Reisspeicher in ihre Restbestände zerfallen oder abmontiert. Man kann sich ja jetzt wieder in den schicken Bars und Restaurants in Mitte treffen und der verlorenen Pekinger Pracht hinterherweinen. Wen interessieren denn dann noch die Paraolympioniken?

TORSTEN HASELBAUER