Zeit zum Fäkalienaufwischen

betr.: „Hartz-IV-Pfleger“, taz vom 18. 8. 08

Aus diesem Vorschlag schreit uns die Geringschätzung des Pflegeberufes und der zu Pflegenden entgegen: Während die LZA die relativ angenehmen Tätigkeiten des Vorlesens und Fütterns (reden wir hier über Hunde und Babys oder über erwachsene Menschen?); also des Vorlesens und der Hilfe bei der Nahrungsaufnahme ausüben dürfen, bleiben für die Pfleger/Innen noch die dankbareren Aufgaben: Zum x-ten mal Frau M. säubern, die sich gerne im Speiseraum einkotet. Zum y-ten Mal Herrn N. verbinden, der den Verband um die von ihm verursachte Brandwunde abgerissen hat. Zum z-ten Mal den Angehörigen (die gerne und schnell mit der Heimaufsicht oder dem Anwalt drohen) erklären, dass der Patient sich ständig selbst verletzt und nicht von den Pfleger/Innen geschlagen wird.

Das Ganze natürlich für einen Hungerlohn, ohne soziale Anerkennung und unter ständigem Zeitdruck und Dokumentationszwang. Der tägliche Frustzuwachs, weil die Hinwendung zum Menschen, das ruhige Gespräch, die liebevolle(!) Geste, das freundliche Wort im Alltagsirrsinn auf der Strecke geblieben sind. Das Gefühl, nie genug Zeit zu haben, immer etwas zu wenig zu tun in dem Beruf, den man vielleicht einmal liebte. Aber jetzt kommen ja die Langzeitarbeitslosen, dann hat man mehr Zeit zum Fäkalienaufwischen, vollgenässte Betten beziehen, hinter Patienten mit Weglauftendenz herlaufen. Ich freue mich schon auf die erste Dokumentation im TV, in der die aufopferungsvolle Arbeit der LZA gewürdigt wird, ohne die ja nichts mehr geht, während im Hintergrund die PflegerInnen still und unauffällig ihrer Arbeit nachgehen. RENÉ BOLDT, Gütersloh