die gelben seiten: Entschädigt die Bürger von Beijing!
Wir sollten die Töchter Chinas in alle Welt exportieren! Oder kommen die dort unter die Räder?
Ende gut, alles gut. Die Abschlusszeremonie der Spiele verspricht ein harmonisches Ende. Die folgende Meldung, auf fast allen nationalen Portalen in China herumgereicht, verheißt Ähnliches: Ein Langläufer aus Simbabwe würde gerne ein chinesisches Mädchen zur Frau zu nehmen und inseriert mit Angabe seiner E-Mail-Adresse. Ähnlich, so manche böse Zungen in zahlreichen Diskussionsforen, wie die Medaillen Chinas sportliche Potenz bewiesen, belegt der Heiratsantrag die Attraktivität unseres Vaterlandes. Es gibt durchaus solche, die sich seriös Sorgen machen: Simbabwe, ein Land mit mehr als 1.000-prozentiger Inflation! Ob unsere Töchter dort nicht unter die Räder kommen? Nein, versichern Zeitungen, denn der afrikanische Sportler verspreche doch, er werde, so verliebt er in die Kultur Chinas sei, alle Güte der Welt aufwenden, um seine chinesische Gemahlin gut zu behandeln. Das vermag jedoch die Bedenken der Chinesen kaum zu zerstreuen: Hatte nicht auch Simbabwes Herrscher Robert Mugabe versprochen, er würde jede demokratische Entscheidung akzeptieren?
Eine Frage stellt, weitaus bodenständiger und lebensnäher, im Internet der Schriftsteller Zhang Lifan: Sollte Chinas Regierung die Einwohner von Beijing nicht entschädigen, die wegen der Olympischen Spiele allerlei Unannehmlichkeiten – wie Teuerung der Lebensmittel oder stillgelegte Fahrzeuge oder geschlossene Fabriken oder strenge Einschränkung der Bewegungsfreiheit – zu erleiden gehabt hätten?
Bis zur Stunde läuft parallel zu der Abschlussfeier die Diskussion paritätisch. Die Befürworter von Zhang Lifans Einwurf prangern die Prunksucht der Obrigkeit an: „Schau dir die Feiern an, wie viele Geldscheine die verbrannt haben!“ Andere argumentieren, wenn das mit der Prunksucht zutreffe, dann habe das gesamte Volk die Kosten getragen – und nicht allein die Einwohner in Beijing! Müssen nicht Bauern im Umland auf sauberes Trinkwasser verzichten, damit sich die Gäste aus aller Welt in unserer Hauptstadt so pudelwohl fühlen dürfen, dass so manche auf schräge Gedanken kämen? Auf welche genau, bleibt bis dato unbekannt. SHI MING
Shi Ming, 51, kommt aus Peking und lebt als Journalist in Köln
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