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KOMMENTAR DES TAGESMission accomplished!

Die Spiele in Peking mit all ihren hochpolitischen Begleitumständen waren eine Zumutung für den Westen. Im März musste er hilflos zusehen, wie die chinesische Militärpolizei den Aufstand der tibetischen Mönche zwar nicht mit militärischer Gewalt, aber doch mit offener Repression kurzerhand unterdrückte. Er musste im Mai einen olympischen Fackellauf gewähren lassen, bei dem sich viele im Westen den tibetischen Gegendemonstranten näher fühlten als den Fackelläufern. Und er musste nun in den vergangenen zwei Wochen ein perfekt inszeniertes Sportspektakel über sich ergehen lassen, bei dem die chinesischen Athleten mit ihrer eisernen Disziplin mehr Goldmedaillen abräumten als jede andere Nation, ohne dabei mehr im Dopingverdacht zu stehen als andere auch. Symbolisierte das etwa keine Zeitenwende?

Es wird immer noch einige geben, die in China alles nur für Feuerwerk halten. Die sagen, im falschen System könne es keine guten Dinge geben. In Wirklichkeit aber war das alles nur der Anfang. So wie beim olympischen Medaillenspiegel wird China in Zukunft in allen Feldern des Weltgeschehens an vorderster Front mitmischen, in der Wirtschaft, in der Wissenschaft, im Erziehungswesen. Die allgemeine Dominanz des Westens, so wie sie nicht nur beim Sport bisher selbstverständlich war, geht zu Ende. Es war ein fünfhundertjähriges Ausnahmezeitalter. Japans wirtschaftliche Erfolge kündigten sein Ende an. Die Olympischen Spiele in Peking könnten später einmal als Moment der Zeitenwende gelten. Man spürt sie überall. Chinesisch lernen nicht mehr die Exoten, sondern die, die etwas werden wollen. Bald wird jeder wissen, wie man die Welt mit Yin und Yang erklären kann. Gute, wichtige Zumutungen sind das, die uns neue Horizonte eröffnen. Genau in diesem Sinne haben die Olympischen Spiele ihre Aufgabe erfüllt.

Aber die Spiele waren auch eine Zumutung für China. Man fühlte sich verraten, als im Westen mit der Tibet- und Menschenrechtskritik die Idee eines Olympiaboykotts Anklang fand. Zerknirscht nahm man Gespräche mit dem Dalai Lama auf. Ziemlich entsetzt war man auch in den letzten zwei Wochen: Über die nicht nachlassende Kritik an den gebrochenen Versprechen der chinesischen Organisatoren. Die fehlende Demonstrationsfreiheit, die fehlende Freiheit im Internet – kein Detail wurde übersehen, alles angeprangert. Doch wiederum waren es genau die Zumutungen, deren China dringend bedarf. Auch in diesem Sinne hat Olympia seinen guten Zweck erfüllt. GEORG BLUME

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