Die Nummer sicher

AUS DENVER ADRIENNE WOLTERSDORF

Joe Biden heißt der Mann, der an Barack Obamas Seite ums Weiße Haus kämpft. Die Nachricht kam in der Nacht zum Samstag ganz im Stil der IT-verliebten Generation, die Obama so gerne repräsentiert: nicht als Pressemitteilung, sondern per SMS an die Unterstützer.

Obamas Suche nach einem Vizepräsidentschaftskandidaten hatte seit Wochen die Gemüter erhitzt. Zwar hat der US-amerikanische Vize laut Verfassung keine Macht, dennoch gilt die Nominierung des Vize im US-Präsidentschaftswahlkampf als symbolisch aufgeladener Akt. Der Vize soll die Eigenschaften des Kandidaten charakterlich „abrunden“ und vermeintliche Schwächen des ersten Mannes ausgleichen.

Der 47-jährige Obama, der sich seit Beginn seiner Bewerbung ums höchste Amt gegen Vorwürfe wehren muss, zu unerfahren zu sein, hat sich mit dem 65-jährigen demokratischen Senator Biden einen Washingtoner Strippenzieher ins Boot geholt. Biden, erstmals 1972 in den Kongress gewählt und gegenwärtig Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im US-Senat, gilt als erfahrener Außenpolitiker. Spekulationen, Biden werde Obamas running mate, nahmen konkrete Gestalt an, als Biden vergangene Woche kurzfristig ins Krisengebiet Georgiens gereist war, um für Schlichtung zu sorgen.

Reaktionen aus Parteikreisen und dem demokratischen Establishment sind entsprechend entzückt – von Hillary Clinton, die ihrem Gegner großzügig Lob aussprach für seine gelungene Entscheidung, bis hin zu Senator Chuck Hagel, der als republikanischer Senator im außenpolitischen Beraterteam Obamas eine prominente Rolle spielen soll. Im Hinblick auf die offizielle Nominierung Obamas durch den Parteitag der Demokraten in Denver habe Obama, der erste schwarze Präsidentschaftskandidat in der Geschichte des Landes, gezeigt, dass er auf Nummer sicher und auf „Sieg“ setze, war immer wieder zu hören.

Nur eine Stunde benötigte das Team um Obamas republikanischen Widersacher John McCain für seine Reaktion. Kurz nach Aussenden der Obama-SMS lieferten Mitarbeiter des Konservativen um 3 Uhr morgens eine Videokassette an alle US-Nachrichtensender aus. Darauf zu sehen war ein neuer TV-Spot mit Zusammenschnitten von bissigen Kommentaren Joe Bidens über Barack Obama. Biden hatte Obama darin Unerfahrenheit vorgeworfen. „Das Weiße Haus ist kein Ort für On-the-job-Training“, hatte Biden Obama noch im Januar um die Ohren gehauen. Damals waren beide noch zwei Bewerber unter zehn, die um die Präsidentschaftskandidatur für die Demokraten rangelten. Biden war kurz darauf, ziemlich erfolglos, aus dem Rennen ausgestiegen.

Trotz der zurückliegenden Wortgefechte soll Obama den auch bei politischen Gegnern geschätzten Biden dann am Donnerstag angerufen haben. Biden saß gerade auf dem Zahnarztstuhl, als Obama ihm die Vizekandidatur antrug.

Bereits am Samstag trat das neue demokratische Dream-Team zum ersten Mal gemeinsam auf. In Springfield in seinem politischen Heimatstaat Illinois präsentierte Obama seinen Vize vor 35.000 fähnchenschwenkenden Fans. Biden nutzte die Gelegenheit, um gleich einige charmant verpackte Seitenhiebe auf „meinen Freund“ McCain auszuteilen. So kritisierte er bedauernd dessen „opportunistischen Kotau vor der Rechtskonservativen republikanischen Basis“.

Obama schien sehr zufrieden zu sein mit dem sympathischen Wadenbeißer an seiner Seite. Er sagte über Biden, dieser sei das, was „andere nur vorgeben zu sein: ein Staatsmann mit gutem Urteilsvermögen, der sich nicht hinter Wortgetöse zu verstecken braucht, um Amerika stark zu halten“.