berliner szenen Little Beirut

Notizen aus Mitte

Mein Freund Rainer, der für eine kleine PR-Agentur arbeitet, fragte mich, ob ich seine Urlaubsvertretung im Sommer übernehmen wollte. Aus lauter Langeweile sagte ich zu. Jetzt tingelte ich nach der Arbeit durch die Rosa-Luxemburg-Straße Richtung Alex. Jeden Tag schob ich mich vorbei am Info-Container über nazistische Umtriebe in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, vorbei an dem Laden mit Thor-Steinar-Klamotten, über den der Container aufklärte. Die Trend-Boutique war mehrmals von aufrichtigen Antideutschen übel zugerichtet worden. Das Schaufenster war fein gesplittert, die Fassade zierten die ausgefransten Bombenkrater der Farbbeutelattacken. Little Beirut in Boomtown Mitte.

Gestern stakste vor mir ein Pärchen in Röhrenjeans und asymmetrisch geschnittenen Motto-Shirts. Plötzlich blieben sie vor dem Laden stehen. Wow, diese Farbwucht auf Rauputz, echt fresh, jubelte der Hagere und strich sich die Emo-Fransen aus dem Gesicht. Ich bin mir nicht sicher, ob das total abgefahren ist oder einfach nur falsch verstandenes Eighties-Revival, wendete seine Gefährtin ein. Ey Woman, beharrte der Emo, diese gekonnt gesetzten Fraktale in der Vitrine … Das ist echte Bürgerkriegspromotion, Fragment-Art. Die Biene schüttelte ungläubig den Kopf und stöhnte, oh, cu-huul. You got it!

Dann staksten sie weiter. Mein Interesse war geweckt. Ich folgte den beiden ein Stück die Straße hinunter. Kurz vor der Münzstraße verschwanden sie flotten Schritts in einem der letzten Plattenbauten der Stadt. Hier war der Ausflug für mich leider zu Ende. Momentchen, polterte ein Drei-Meter-Mann und klatschte mir gegen die Brust. Das hier ist ’ne After-Work-Party, nix für Stadtstreicher wie dich. TIMO BERGER