berliner szenen Pommes und Wärme

Die letzten Tage

Pommes brauchen genügend Wärme, genau wie ich. Aber ich muss dazu nicht in den Backofen. Mir reichen 25 Grad, um mich richtig wohl zu fühlen. Jeweils für ein paar Stunden hat das auch in der vergangenen Woche noch geklappt, woran ich mich nun gern erinnere: Auf dem Bauch liegend schieb ich mir also eins nach dem anderen rein und beobachte das rege Treiben am Becken.

Der Bademeister kaut auf seiner Pfeife, ein Knirps schlägt nach einer Wespe, Rentner ziehen gemächlich ihre Bahnen, junge Mädchen sitzen am Rand, Mütter rufen nach ihren Kindern, die Väter sind nicht da. So wie jeden Tag.

Am Dreimeterbrett stehen grad zwei, die mit manchen meiner Pommes etwas gemeinsam haben. Ich versuche, mich darauf zu konzentrieren, wie die beiden sich vom Dreier stürzen, doch den entscheidenden Moment nehme ich nicht richtig wahr, da mir mit einem Mal die ganze Schale ins Gras kippt.

Meine Gedanken liegen wieder irgendwo neben mir, und nun haben sich blöderweise auch noch meine Pommes dazugesellt. Heute ist mein neunter Tag im Freibad, und ich esse zum neunten Mal Pommes rot-weiß. Das ist nichts Besonderes, aber besser, als zu Hause rumzusitzen. Zu Hause gibt es mittlerweile nichts mehr, das mir gefällt, hier gibt es immerhin Bauchlandungen – und die letzten Sonnenbrände der Saison.

Während ich derlei kleine Katastrophen beobachte, mache ich mir Gedanken über große. Und esse gut frittierte Pommes. Pommes, denke ich, brauchen genügend Wärme, genau wie ich. Aber ich muss dazu nicht in den Backofen oder im Gras in der Sonne liegen, mir würde es eigentlich schon reichen, Eva käme wieder zurück.

JOCHEN WEEBER