Keine Wundertüte

Rückenschmerzen sind häufig und alltäglich und werden meist nicht größer diskutiert. Oft gibt es auch keine exakte Diagnose; chronische Schmerzpatienten gelten dann als austherapiert. Die Alternativmedizin kann hier oft noch weitergehend lindern

VON PETRA SCHELLEN

Solange er funktioniert, zählt er zu den eher unauffälligen Körperregionen: der Rücken, der normalerweise weder besonders gepflegt noch mit erlesener Dankbarkeit bedacht wird, hat er doch mit Selbstverständlichkeit Körperliches und Seelisches zu tragen.

Anders gestaltet sich die Szenerie, wenn die Schmerzen bei –sagen wir: Büromenschen ab 30, 40 beginnen, die trotz wechselnder Stühle und Sitzunterlagen die Beschwerden nicht in den Griff bekommen. Nicht immer ist es gleich ein Bandscheibenvorfall oder ein Hexenschuss, der sie kurzzeitig außer Gefecht setzt; auch der schleichende Schmerz über Jahre kann quälen. Offensiv sprechen mag man darüber kaum, will man doch nicht als wehleidig gelten; außerdem glaubt man das Leiden bald im Griff zu haben.

Aber ohne Veränderung der Bewegungs- und Haltungsmuster – manchmal auch der inneren Haltung – funktioniert das selten. „Wenn ich schon sehe, wie die meisten Menschen Getränkekästen tragen, wird mir ganz anders“, sagt der Lehrter Heilpraktiker Uwe Kurmeyer. „Statt in die Hocke zu gehen, beugen sie den Rücken und tragen die ganze Last über die Armmuskulatur.“ Eine Imbalance, für die der menschliche Körper nicht gemacht sei. Auch bei der Computerarbeit spielten sich oft Sitzhaltungen ein, die die Wirbelsäule belasten.

Dabei sei das Problem meist nicht der Rücken selbst, sagt Kurmeyer. Sondern die Muskulatur, „die bei den meisten Menschen eher schwach veranlagt ist.“ Und die müsse die verschiedenen Abschnitte der Wirbelsäule schließlich da halten, wo sie hingehöre. Hier müsse die Behandlung ansetzen: „Am Anfang steht natürlich eine vernünftige Diagnostik“, sagt Kurmeyer. „Denn Rückenschmerz kann verschiedenste Ursachen haben, die von der Wirbelsäulenverkrümmung über Nieren- und Prostatabeschwerden reichen können.“ In jedem Fall müsse, bevor alternative Behandlungsmethoden angewandt würden, untersucht werden, ob der Schmerz nicht eine gravierendere Ursache habe. Das täten die meisten, was dazu führe, dass die meisten Patienten erst nach längere Ärztekarriere den Heilpraktiker aufsuchten. „Wir sind oft die letzte Hoffnung, wenn die Ärzte den Patienten schon gesagt haben, dass sie mit dem Schmerz eben leben müssen“, berichtet Kurmeyer. Was er dann tut, wirkt zunächst eher schlicht: „Ich versuche den Menschen, der da kommt, zu entspannen. Er soll sich hinlegen und entspannen; oft hilft auch Ohrakupunktur zur Lockerung. Um den akuten Schmerz zu bekämpfen nutzt er auch die „Akupunktur 2000“, bei der die Nadeln in die Nervenbahnen gestochen werden und nicht, wie bei der Traditionellen Chinesischen Medizin, in die Energieleitbahnen. „Das lindert den akuten Schmerz, aber nicht die grundlegende Verkrampfung“. Die Ursachen dieser Verkrampfung sind es auch, an denen jene ansetzen, die Rückenbeschwerden psychosomatisch deuten. Denn dass der Rücken mit Haltung, auch innerer, zu tun hat, ist einsichtig. „Da mit einer Haltung oft auch eine aufrechte oder aufrichtige Haltung verbunden ist, geht es bei haltungsbedingten Rückenthemen oft auch darum, wie weit sich der Mensch herauswagen kann aus der Burg seiner Panzerungen und Verstecke. Inwieweit er glaubt, sich ,krumm legen‘, sich anbiedern oder andienen zu müssen, um genug Achtung von seiner Mitwelt zu bekommen“, sagt der Coburger Körpertherapeut Erich von Derschatta. Manchen Menschen sei gar in der Kindheit erfolgreich „das Rückgrat gebrochen worden, so dass sie sich seither sehr schwer tun, ihren eigenen Standpunkt zu entwickeln.“ Ein solcher Bruch, sagt Derschatta, sei oft auch in der Wirbelsäule zu sehen.

So weit mag Heilpraktiker Kurmeyer in seiner Analyse etwaiger Psychosomatik nicht gehen. Aber auch er erkennt an, dass Rückenprobleme manchmal durch Depressionen verursacht sein können. „Diese Patienten kommen oft völlig verkrampft in meine Praxis und sind außerdem in ihrem muskulären System übersäuert“, sagt er. Ausleitungs- und Entgiftungskuren bietet er dann an – wobei dies natürlich nur eine Akutmaßnahme sei. „Die Naturheilkunde zielt ja darauf, die Selbstheilungskräfte anzuregen. Und da kann man keinen Patienten ein, zwei Jahre durchtherapieren.“ Man wolle den Patienten anregen, sich mittelfristig selbst zu helfen; Schröpf-Massage biete sich da an. Die sei kostengünstig und leicht zu lernen. Akupressur helfe, außerdem Yoga, Qigong sowie die klassische Rückenschule.

Am problematischsten sind aber die chronischen Schmerzpatienten. Auch denen könne die Naturheilmedizin aber Linderung bieten. „Wir können wir den Schmerz nicht wegzaubern“, sagt Kurmeyer. „Der Patient muss allerdings zunächst akzeptieren, dass der Schmerz da ist. Auch darf er keine Wunder erwarten, sprich: dass der Schmerz nach zwei Behandlungen weg ist.“ Wenn zudem das Skelett geschädigt sei – etwa durch eine zerstörte Bandscheibe – „kann ich das auch nicht wieder herstellen. Aber es gibt Methoden, mehr Pufferflüssigkeit zu erzeugen, so dass der Schmerz abnimmt.“