Willhelm Tacke meint:
: Ischa Musikfest!

Der Bremer Domprediger Walter Dietsch stöhnte vor Zeiten, Bremen sei „seitdem nie wieder eine im eigentlichen Sinne musische Stadt geworden“. Mit „seitdem“ meinte er die Bilderstürmer, die in Bremen, vor allem um 1581, alles kurz und klein schlugen. Da verlor so mancher Heiliger nicht nur den Kopf, sondern er wurde noch recycelt, meint: im Schütting oder sonst wo verbaut.

Denkt man an jüngste Querelen am Dom, könnte man Dietsch auch jetzt noch aus vollem Herzen zustimmen. Allerdings wäre das Ende August äußerst unpassend, denn da ist um den Dom der inzwischen weit über Bremen hinaus berühmte Start des Musikfests. Dazu wird nicht nur der Dom von Christian Weißkircher ins rechte Licht gerückt, so dass etwaige Schrammen jüngster Ereignisse geradezu überstrahlt werden. Das auf seine klein-, bzw. stadtstaatliche Vergangenheit so stolze Bremen bekommt einen Abend lang das Flair einer Residenzstadt, in der es strahlend zugeht, etwa auf den Gesichtern der hörenden und frenetisch klatschenden Besucher der „Großen Nachtmusik“ am Samstag. Dafür sorgt Thomas Albert. Er hat wieder mit Hilfe hanseatischer Schein(e)werfer Weltklassemusiker engagiert, die Otto Normalverbraucher höchstens aus dem Klassikradio kennen.

Das wird ein Ohrenschmaus werden: Glaubt man den Ankündigungen, singt mit dem „Collegium vocale Gent“ im Dom „einer der besten Chöre der Welt“, und spielt in der Glocke mit dem Mahler-Chamber-Orchester „das beste Orchester der Welt“. Kleiner Wermutstropfen: Ausgerechnet unter Rot-Grün wird es im Rathaus byzantinisch zugehen. Sagen Sie selbst: Das ist ein starkes Stück!

Allerdings kann bei näherem Hinsehen Entwarnung gegeben werden: Es wird nicht für Glitter und Prunk des bürgermeisterlichen Hofstaats Geld zum Fenster hinausgeworfen, sondern noble Ravenaten greifen im Hause unseres Kultursenator political wie aufführungspraktisch correct in die Saiten bzw. Tasten.

Kurzum: Es gibt keine Ausrede, nicht zwischen Dom, Schütting, Rathaus und Knast, Pardon: Gericht zu lustwandeln, sich mit heimischem Bierchen, DDR-Brause oder echtem Schampus abzufüllen, bevor im Gerichtshof richtig die Post abgeht, vorausgesetzt es regnet nicht. Dort haut nämlich die französische „Nationalelf in Jazz“ auf Pauke und Schlagzeug, trötet in Tuba, Trompete oder Horn, ratscht auf der Ukulele rum und bringt so auch den letzten Tagenbaren aus der Reserve. Ischa Musikfest!

WILHELM TACKE war Pressesprecher der Katholischen Kirche Bremen