Stets gleiche Zirkelschlüsse

betr.: „Gerade weil es bei der Bildungsfrage um Menschen geht, muss man genau kalkulieren. Bildung ist keine Frage der Moral“ von Nils aus dem Moore, taz vom 27. 8. 08

So, so, „unter Forschern“ herrscht also „ein breiter Konsens“, wie das Bildungssystem reformiert werden soll: Mehr Staatsknete für die Frühförderung, damit die Bildungseliten das Geld für den Kindergarten sparen und nach der Einschulung ihrer Augäpfel zu innovativen, am „freien“ Spiel des Wettbewerbs orientierten Privatschulen tragen können. Fürs Studium schließlich seien ja Kredite verfügbar, deshalb sind Studiengebühren bloß fair. So weit, so bekannt. Ein solches wildes Marktsystem in der Bildung jedoch auch noch mit dem skandinavischen Modell gleichzusetzen und als gerecht zu bezeichnen, ist geradezu absurd. Diese Nebelwerferei beruht darauf, dass die fundamentale Unterscheidung zwischen privaten und öffentlichen Bildungsinvestitionen geschickt verwischt wird, von der Chancengerechtigkeit zuallererst abhängt.

Natürlich nützt Kindern aus bildungsfernen Schichten staatlich finanzierte Frühförderung – deshalb brauchen wir davon selbstverständlich mehr. Nach der Einschulung jedoch alle paar Jahre Selektionshürden aufbauen zu wollen, an denen es nur die Kinder von Wohlhabenderen unter Aufwendung privater Mittel (für Nachhilfe, Privatschulen) in die jeweils bessere Schule bzw. an die Hochschule schaffen und die anderen an Restschulen oder in Ausbildungsgänge mit niedrigeren Bildungsrenditen abgedrängt werden, ist völlig kontraproduktiv. Genau diese Verdrängungseffekte durch Studiengebühren sind bereits jetzt empirisch nachweisbar.

Wer von Skandinavien redet, sollte nicht nur mit leuchtenden Augen die niedrigere Bezahlung der dortigen LehrerInnen erwähnen, sondern auch erwähnen, dass dort die Selektion nach sozialer Herkunft zugunsten von öffentlich getragenen Gesamtschulsystemen fehlt, dass statt Studiengebühren sogar eine umfassende staatliche Studienfinanzierung die Regel ist. Der entscheidende Unterschied ist schließlich: Die nordischen Länder stecken deutlich höhere Anteile ihrer Wirtschaftsleistung in öffentliche Bildung – Deutschland erreicht hier noch nicht mal den OECD-Schnitt. Wer behauptet, dass in Deutschland schon genug Geld im System sei, dies aber bloß ineffizient eingesetzt werde, nimmt empirische Eckdaten offenbar schon länger nicht mehr zur Kenntnis.

Der Wirtschaftswissenschaft sei angeraten, auch in ihren eigenen Reihen mal etwas mehr von dem Wettbewerb um die besseren Ideen in Erwägung zu ziehen, den sie von anderen alle Naselang fordert – und sich etwas weniger im Konsens über die stets gleichen Zirkelschlüsse zurückzulehnen. FLORIAN PETERS, Kiel