Linke berechnet Preis

Hessens Linke berät auf ihrem Parteitag, was sie von SPD und Grünen für die Wahl Andrea Ypsilantis verlangen soll

WIESBADEN taz ■ „Ob Marbach oder Lollar – wir treiben’s immer dollar!“ Ein Fundispruch aus dem Jahre 1984. Die Realos bei den Grünen in Hessen hatten da gerade das Ergebnis monatelanger Verhandlungen mit der SPD abgesegnet und damit den Weg für die Tolerierung der Regierung Holger Börner (SPD) durch die Grünen frei gemacht – in Lollar. Der Tolerierung folgte bald die Koalition – und Joschka Fischer wurde erster grüner Minister des Planeten.

An diesem Sonnabend ist Lollar wieder Schauplatz eines bedeutsamen Parteitags. Jetzt muss sich die Basis der Linken in Hessen mit der Frage nach der Tolerierung einer rot-grünen Regierung beschäftigen – jedoch unter ganz anderen Voraussetzungen als die Grünen-Basis 1984.

Verhandlungsergebnisse können weder Landesvorstand noch Landtagsfraktion der Linken vorlegen. Auch die Koalition aus SPD und Grünen, die die Linke im Landtag stützen soll, ist bislang nur ein Wunsch. Es gibt nicht mal einen Termin für die angepeilte Wahl der Sozialdemokratin Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin und die Zustimmung zu ihrem Kabinett, dessen Besetzung ebenfalls unklar ist.

Die einen bei der Linken wie die Landtagsabgeordnete Marjana Schott sind dafür, Ypsilanti jederzeit und ohne Bedingungen mit zu wählen, damit der geschäftsführende Ministerpräsident Roland Koch (CDU) „endlich weg vom Fenster ist“. Die anderen wie der Vize-Landeschef Ferdinand Hareter wollen in Lollar acht Bedingungen der Linken für die Wahl Ypsilantis vorstellen. Hareter kandidiert auch für den Landesvorsitz, er tritt gegen den „Realo“ Ulrich Wilken an.

Schon vergangene Woche stellten Partei- und Fraktionsführung einen Forderungskatalog vor, in dem selbst friedens- und sozialpolitische Bundesratsinitiativen detailliert aufgelistet sind. Den Forderungen müsste die Basis noch zustimmen. Bei einem Votum dafür – ob mit oder ohne Korrekturen – blieben die Inhalte immer noch verhandelbar. Sagen die einen. Die andern behaupten das Gegenteil.

Dass die junge Partei Die Linke sich heute so heterogen präsentiert wie die Grünen vor 24 Jahren, dass es wieder Fundis und Realos gibt, macht es gerade für die Grünen aktuell nicht einfacher. Der Rückblick auf die eigene Geschichte und auf die Zufälligkeit von Entscheidungen auf Landesversammlungen, genannt Omnibusdemokratie, macht misstrauisch. Auch deshalb verlangen die Grünen Probeabstimmungen in allen drei Fraktionen vor einer eventuellen Wahl Ypsilantis und einem Tolerierungspakt mit der Linken. Allerdings: Die Wahl des Regierungschefs oder der Regierungschefin ist in Hessen nach der Verfassung eine geheime. Die Grünen warnen die Linke schon mal, in Lollar Altkommunisten wie den Ex-DKPler Pit Metz in ihren Vorstand zu wählen. Das käme der Torpedierung der Zusammenarbeit im Landtag gleich.

Die Linke müsse zudem dem Haushalt 2009 und diversen Gesetzesvorhaben zustimmen, sagt Grünen-Chef Tarek Al-Wazir. Allerdings wissen weder Grüne noch Linke, wie dieser Haushalt aussehen wird. Die SPD weiß es vielleicht – sagt aber nichts. Nach der aktuellen Forsa-Umfrage erhöht sich der Entscheidungsdruck auf alle Beteiligten: Knapp 70 Prozent der Hessen wollen demnach keine Minderheitsregierung aus SPD und Grünen, die sich von der Linken tolerieren lässt. Das Volk ruft nach Neuwahlen. Aus denen ginge die SPD laut Forsa geschwächt, die Linke aber gestärkt hervor.

In Lollar kandidiert eine Sozialpsychologin für den Vorstand, deren Credo auch deshalb den Fundis der Linken sympathisch ist: Die Linke müsse „für glasklare Oppositionspolitik auf unabsehbare Zeit hinaus“ stehen.KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT