Kliniken befürchten den Kollaps

Gesundheitswesen: 100 Personal- und Betriebsräte von Krankenhäusern aus Niedersachsen und Bremen weisen auf eine dramatische Situation hin. Klinikbetreiber und personal bereiten gemeinsam die heiße Phase des Protestes vor

„Irgendwann explodiert der Topf, wenn der Deckel drauf bleibt“

„Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“ – den Fußball-WM- Schlachtruf macht sich die Gewerkschaft Ver.di zu Eigen, um zu verdeutlichen, dass sie um die Rettung der Krankenhäuser kämpfen will. Unter dem Slogan „Der Deckel muss weg“ soll am 25. September in Berlin für eine Wende in der Gesundheitspolitik der Bundesregierung demonstriert werden: Die Krankenhäuser sollen mehr Geld bekommen.

„Aus Niedersachsen und Bremen haben sich bereits Tausende angemeldet“, sagte am Montag der Fachbereichsleiter Gesundheit, Joachim Lüddecke, nach einer Personal- und Betriebsrätekonferenz mit 100 Teilnehmern in Hannover. Damit es noch mehr werden, finden am 9. September landesweite Betriebs- und Personalversammlungen in den Kliniken statt. Auch in Hamburg werden zurzeit Versammlungen abgehalten, sagt Ver.di-Fachbereichsprecher Michael Stock. Ver.di versuche, auch Mitglieder aus anderen Branchen zu mobilisieren. „Jeder Beschäftigte kann auch mal als Patient Betroffener sein“, erläutert Stock.

Der Gesundheitsprotest richtet sich gegen die gesetzliche Budgetierung von Leistungen, die die Kliniken in den vergangenen 15 Jahren in eine finanzielle Notlage gebracht habe. Die Häuser hätten 20 Prozent mehr Patienten behandeln müssen, während das Personal massiv reduziert worden sei. Jede Tariferhöhung habe wegen des Budget-Kostendrucks Personalabbau bedeutet, was aber keiner gewollt habe.

Daher hat sich ein ungewöhnliches Bündnis gebildet: Neben Ver.di und der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, haben sich alle Ärztekammern und Krankenhausgesellschaften im Norden sowie kommunale, private- und kirchliche Klinik-Träger angeschlossen – obwohl jede Region mit Besonderheiten kämpft.

„Die Krankenhausinvestitionen in Niedersachsen in Höhe von 121 Millionen reichen vorne und hinter nicht aus“, klagt Ver.di-Landesleiter Siegfried Sauer. „Im Vergleich aller Bundesländer hat Niedersachsen die Rote Laterne.“ Zudem habe es einen dramatischen Stellenabbau bei Schwestern und Pflegern gegeben, sagt Sauer. Die Kliniken im bevölkerungsarmen Schleswig-Holstein müssten mit besonders wenig Geld für ihre Basisausstattung auskommen. Indes fürchteten in der Metropolregion Hamburg die Kliniken ihre überregionale „Qualitätsführerschaft“ zu verlieren, wenn sie nicht mehr viel Geld in Innovationen investieren könnten.

Einig ist sich das Bündnis allerorts in einem Punkt. „Die Krankenhausfinanzierung muss auf feste Füße gestellt werden“, findet Fokko ter Haseborg, Chef der Hamburger Krankenhausgesellschaft. Hamburgs Ver.di-Landeschef Wolfgang Rose ergänzt: „Irgendwann explodiert der Topf, wenn der Deckel drauf bleibt.“ KAI VON APPEN