68 in Ost und West
: Sichten einer Revolte

Kann nach der monatelangen medialen Dauerpräsenz des 68er-Jubiläum eine weitere Ausstellung zum Thema überhaupt interessant sein? Die KuratorInnen Claudia Rücker und Andrea Szatmary haben mit der Exposition „Sichten einer Revolte“ im Ephraim-Palais den Beweis angetreten, dass es möglich ist.

Die großzügig auf drei Stockwerke verteilte Ausstellung dokumentiert die Ereignisse zwischen 1967 und 1969 in beiden Teilen Berlins – in Form von Hörfunk- und Fernsehmaterialien sowie Kopien zeitgenössischer Flugblätter. Darunter ist auch ein Rundfunkbeitrag über die Anti-Schah-Demonstration am 2. Juni. Sowohl die Arbeit eines vom Abgeordnetenhaus eingerichteten als auch die Tätigkeit eines unabhängigen Untersuchungsausschuss zum Tod von Benno Ohnesorg werden in Wort und Bild dokumentiert.

Kaum bekannte APO-Aktionen finden ebenfalls ihren Platz. Darunter ist eine Solidaritätsaktion des SDS mit gegen die Ausweitung der Ladenschlusszeiten am Samstag kämpfende Verkäuferinnen und die Auseinandersetzungen um die studentische Mitbestimmung am Otto-Suhr-Institut der FU. 1968 ist nicht nur die APO auf die Straße gegangen. In Bild und Ton wird festgehalten, wie auf einer vom Senat und einer großen Koalition aller im Abgeordnetenhaus organisierten Anti-APO-Demonstration am 21. Februar 1968 Jagd auf vermeintliche Dutschke-Freunde gemacht wurde. Ein Radioreporter wurde attackiert, als er darüber berichtete, wie eine aufgeheizte Menge ein Polizeiauto angriff, in das sich ein junger Mann geflüchtet hat, der nur gejagt wurde, weil er einen Bart trug.

Dass dies kein Einzelfall war, macht ein ausliegendes Flugblatt deutlich, in dem die vier Verfasser beschreiben, wie sie wegen ihres Eintretens für Demokratie und Meinungsfreiheit als „Studentenschweine“ beschimpft wurden. Zum Beweis ihrer Seriosität geben sie ihre mittelständischen Berufe an und betonen, dass sie Familienväter sind.

Auch wenn der Schwerpunkt der gezeigten Dokumente auf den Westberliner Ereignissen liegt, ist der Ostteil immer präsent. So werden die Reaktionen der DDR-Medien auf die APO-Aktionen dokumentiert. Vor allem Polizeieinsätze gegen die DemonstrantInnen fanden dort große Aufmerksamkeit. Die DDR-Behörden übermittelten dem unabhängigen Untersuchungsausschuss zum Tod von Benno Ohnesorg auch Dokumente über die Nazivergangenheit einiger beteiligter Polizisten.

Über die Versuche einiger Studenten an der Humboldt-Universität, ihre Westberliner KommilitonInnen zu imitieren, berichten die in der Ausstellung dokumentierten Stasiakten. Dem Höhepunkt von 1968 im Osten, dem Protest gegen den Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei ist ein ganzer Raum gewidmet.

Am Ende der Ausstellung kann man mittels Computerquiz testen, was dabei gelernt wurde. Einen Button mit APO-Motiven gibt es allerdings nur als Gewinn, wenn alle Fragen richtig beantwortet wurden. PETER NOWAK

„Berlin 68: Sichten einer Revolte“, Ephraim-Palais, bis 2. November