Auftaktrunde der Berliner Medienwoche
: Erkenntnisfrei im ICC

Nicht ganz: Beim Panel zum „Leitmedium Internet?“ machen Deutschlands Medienstrategen zumindest klar, dass sie weiterhin nicht genau wissen, wohin die Reise geht

Das Berliner Internationale Congress Centrum (ICC) sieht aus wie ein Raumschiff aus einer vergangenen Zeit, als Technik per se noch gut und der Fortschritt unvermeidlich war. 1979 gebaut, ist es eigentlich schrottreif, wird als Symbol des alten Westberlin aber demnächst mal teuer saniert. So lange versprüht es noch seine in die Jahre gekommene Düsternis, die man damals für schick hielt – und der man sich heute schwer entziehen kann.

Wie sonst wäre zu erklären, dass die Auftaktrunde der nun direkt an die Internationale Funkausstellung (IFA) getackerten Berliner Medienwoche zu einer düsteren Runde mit reichlich verstaubtem Blick nach vorn gerät? Über das „Leitmedium Internet?“ diskutieren acht Menschen und ein Moderator. Wie bequem für Vorstände von Gruner + Jahr bis Yahoo, für Intendanten von Schächter (ZDF) bis Marmor (NDR), hier zu sitzen und zu wissen, dass eine ernsthafte Debatte schon rein mengenmäßig gar nicht zustande kommen kann.

Statt kritischer Fragen gibt es lustige Szenarien aus der Zukunft, und für die darauffolgenden Soundbites der Dame (Burda-Vorständin Christiane zu Salm) und der restlichen sieben Herren würde sich selbst Sabine Christiansen geschämt haben. „Im Auge des Orkans herrscht Ruhe. Uns geht’s gut“, verkündet dann ProSiebenSat.1-Vorstand Marcus Englert und beschwört 20 Prozent Rendite. Glauben wir gern, klarer Fall. Christiane zu Salm hat mit 9Live bewiesen, wie fies Fernsehen wirklich sein kann. Jetzt soll sie für den Burda-Konzern neue Groschengräber – Verzeihung: Transaktionsstrategien – entwickeln. „Unterm Strich verändert sich unsere Gesellschaft schneller als unsere Wirtschaft, okay?“ Okay! Und auch gegen ihre erschreckende Erkenntnis, es sei doch erschreckend, „wenn man sieht, wie viele Abonnenten verloren gehen, weil Menschen sterben“, ist nichts einzuwenden.

Bei den Öffentlich-Rechtlichen wird anscheinend weniger gestorben, jedenfalls präsentieren sie sich in dieser Situation gewohnt onkelhaft, das strahlt schließlich Souveränität aus: „Die ARD wird auch 2018 noch sehr vital und lebendig sein“, so NDR-Boss Marmor. Was soll er auch anderes sagen? Und Markus Schächter (ZDF) verkündet, „was in die Zukunft weist, ist Bewegtbild“. Damit meint er Video, vor allem im Netz. Und traf doch damit die ganze Show, die wie ein Tableau aus längst vergangenen analogen Zeiten wirkte. „Das klingt jetzt ein bisschen nach Bullshit in Anführungszeichen“, sagt Engert irgendwann – und da, dieses eine Mal, wird es dem Zuhörer warm ums Herz. STG