Plädoyer gegen Sippenhaft

Hitzig debattiert die Bürgerschaft über das Antira-Camp: Linke fürchtet um Demonstrationsfreiheit , CDU und SPD wittern Chaoten und Krawalle, der grüne Justizsenator spricht ein Machwort

VON KAI VON APPEN

Das Klima- und Antira-Camp sorgt auch nach seinem Ende weiter für hitzige Diskussionen. In die von der Linkspartei beantragte Debatte in der Bürgerschaft unter dem Motto „Versammlungsrecht aufgelöst?“ – die von Tummelten begeleitet war – griff der grüne Justizsenator Till Steffen sogar außerhalb der Rednerliste ein: Dabei erteilte er den Verbotsforderungen der SPD eine klare Absage. Es gebe „keinen Zusammenhang zwischen demCamp und Straftaten“, sagte Steffen. Und selbst wenn, komme es nicht in Frage, „dass wir dieses Camp in Sippenhaft nehmen.“

Zuvor hatte die Linkspartei-Innenpolitikerin Christiane Schneider das Verhalten von CDU-Innensenator Christoph Ahlhaus scharf kritisiert. Er hatte nach der Sachbeschädigung im Bezirksamt-Nord den Campern gedroht, es gebe „in Hamburg für Chaoten kein Pardon“. Das wäre ein Begriff aus dem Militärjargon, quasi ein Freibrief für die Polizei gewesen, sagte Schneider. Und so sei es in der Folgezeit nicht nur zum Übergriff auf einen Stadtteilrundgang in St. Pauli gekommen, auch zwei angemeldete Demonstrationen seien grundlos vorzeitig aufgelöst worden. Während des Proteste gegen das geplante Kohlekraftwerk in Moorburg habe es zudem Übergriffe auf Protestler und Journalisten gegeben. „Das Versammlungsrecht ist auf der Strecke geblieben“, beklagte Schneider. „Das war eine arrogante Demonstration der Macht.“

Der CDU-Innenpolitiker Kai Voet von Vormizeele attackierte die Linke scharf. Ihre Rede sei der „härteste Angriff auf die Integrität der Polizei“ gewesen, den er „hier je gehört haben“, schäumte der CDU-Mann. Die Linie von Ahlhaus, Krawalle nicht zu dulden, sei richtig gewesen. Die Pressevorführung eines Videos mit vermeintlichen Polizeiübergriffen bezeichnete Vormizeele als „Possentheater“, um einen „flüchtenden Straftäter“ zu schützen. Vormizeele tobte: „Frau Schneider, sie haben in diesem Hause nichts mehr zu suchen“.

In dieselbe Kerbe schlug der SPD-Innen-Hardliner Andreas Dressel: „Welche Rolle spielt die Linksfraktion“, fragte er in Anspielung darauf, dass Mitarbeiter der Linksfraktion in Aktionen des Antira-Camps involviert waren. „Wer Abschiebungen in die Nähe von Deportationen rückt“, empörte sich Dressel, lege den „Nährboden für Leute, die später Steine auf die Häuser“ von Ausländerbehörden-Mitarbeitern werfen würden. Doch mit „Krawall und Chaos“ erreiche man keine Debatte über die Kritik am Flüchtlingselend. Wenn es zu Straftaten durch Polizisten gekommen sei, müsste dem nachgegangen werden. Doch, so Dressel: „Warum haben Sie das Videomaterial nicht der Polizei übergeben?“

Was der SPD-Mann nicht weiß: Generalstaatsanwältin Angela Uhlig-van Buren ist das sechsMinuten lange Video von den Linken am Montag übergeben worden. Daher war auch Justizsenator Steffen wie seine Fraktionskollegin Antje Möller zurückhaltend: „Einzelfälle müssen aufgeklärt werden“, sagte Möller, Steffen ergänzte im Hinblick auf das Video: „Beide Geschichten sind möglich.“