Große Koalition für Kinder

Während die beklagte Kindertagesstätte in der Revenlowstraße vorläufig eingeschränkt weiterbetrieben werden kann, kündigt die Koalition ein neues Kinderlärmschutzgesetz an

Von Marco Carini

Sie waren sich alle einig. In der Hamburger Bürgerschaft regierte gestern für eine Aktuelle Stunde lang die große Koalition der Kinderfreunde. Von der CDU bis hin zur Linkspartei beklagten alle Abgeordneten, dass das Verwaltungsgericht den Betrieb der neuen Kita in der Reventlowstraße (Othmarschen) wegen der Lärmschutzklagen zweier Nachbarn vergangene Woche vorläufig untersagt hatte. Und alle lobten einmütig, dass Altonas Bezirksamtsleiter Jürgen Warmke-Rose den Kita-Betrieb trotz des Gerichtsbeschlusses mit Einschränkungen zulässt.

Doch damit endeten die Gemeinsamkeiten auch schon. Die CDU bedauerte, dass der von ihr im Jugendhilfegesetz versteckte Appell, dass „Kinderlärm hinzunehmen“ sei, im Urteil des Gerichts keine Rolle gespielt hatte. Nun soll nachgebessert werden: Die GAL-Abgeordnete Christiane Blömeke kündigte für die Koalition die Erarbeitung eines Gesetzentwurfes an, der Kinderlärm gegenüber anderen Lärmquellen „privilegiert“.

Dass sie nach der ersten Klage gegen die Kita „Marienkäfer“ vor drei Jahren nicht reagiert und ein „anständiges Kinderlärmschutzgesetz“ verfasst hatte, warf Carola Veit (SPD) der CDU vor. Die CDU-Jugendhilfe-Klausel habe – wie der aktuelle Fall zeige – „seine Nagelprobe nicht bestanden“. Zudem habe die Errichtung der Lärmschutzwand auf dem neuen „Marienkäfer“-Gelände „ein gefährliches Präjudiz geschaffen“, auf das sich Othmarschener Kläger nun beziehen könnten. „Kinder gehören nicht hinter Mauern“. Gleichzeitig warnte Blömeke davor, die Kläger zu diskriminieren. „Nicht jeder, der sich ein wenig Ruhe auf seinem Grundstück wünscht, ist gleich ein Kinderhasser.“ Das sah Kersten Artus von der Linken anders: „Menschen, die keinen Kinderlärm mehr ertragen können und lieber gegen eine drei Meter hohe Mauer starren, sind Ausdruck einer entsolidarisierten Gesellschaft“.

Dass es mit dem von der SPD vorgelegten Kinderlärmgesetzentwurf „dieses Urteil nicht gegeben hätte“, bezweifelte Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU). Der sozialdemokratische Ansatz enthalte zahlreiche „Risiken und Nebenwirkungen“.

Da es in den anderen rund 900 Kitas „keine Probleme und Lärmklagen“ gebe, wären die zahlreichen bürokratischen Regeln, mit der die SPD Konflikte um Kinderkrach zu lösen hoffe, in der Praxis eher ein „Damoklesschwert, dass über den Betreuungseinrichtungen“ schwebe. Die Koalition werde eine „gerichtsfeste Regelung“ vorlegen, die Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk (GAL) für 2009 angekündigt hat. Während die Politiker über Kinderlärm stritten und sich ihre Regelwerke um die Ohren schlugen, bleibt die Reventlowstraße, in der 40 Kinder untergebracht sind, geöffnet. Allerdings bleibt aus Lärmschutzgründen der Hintergarten geschlossen, jede Bautätigkeit an dem Gebäude ist untersagt. Nachdem der Kita-Träger SterniPark und auch der Bezirk Altona Beschwerde gegen das Urteil eingelegt haben, entscheidet das Oberverwaltungsgericht.