Zu wenig Therapeuten

Depressive Menschen warten zu lange auf freie Therapieplätze, sagt die Gesundheitssenatorin

Depressive Menschen werden in Bremen nicht ausreichend versorgt. Zu dieser Feststellung kommt ein gestern veröffentlichter Bericht der Gesundheitssenatorin. Als besonders dürftig wird die ambulante psychotherapeutische Versorgung beschrieben. Trotz der relativ hohen Therapeutendichte in Bremen gebe es Wartezeiten bis zu anderthalb Jahren, heißt es in dem Bericht, der unter anderem auf einer Befragung von neun PsychotherapeutInnen basiert. Erschwerend komme hinzu, dass es keine zentrale Anlaufstelle gebe, und man freie Plätze „mühselig telefonisch erfragen“ müsse. „Für Personen mit großem Leidensdruck“ sei „diese Situation unbefriedigend“, hält der Bericht fest, eine „Ablehnung oder Vertröstung über einen längeren Zeitraum“ könne eine „Erhöhung des Suizidrisikos bedeuten“.

Als ein Grund für die langen Wartezeiten wird angenommen, dass TherapeutInnen ihre KlientInnen nach der zu erwartenden Arbeitsbelastung auswählen und sich eine „möglichst große Symptomvielfalt“ zusammenstellen. „Dadurch werden Depressionspatienten mitunter zurückgestellt.“

Außerdem würde ein großer Teil der „Mehrarbeit“, den die Behandlung von schwer Depressiven mit sich brächte, nicht ausreichend vergütet, zitiert der Bericht die befragten TherapeutInnen. Nicht geprüft wurde, in welchem Umfang die TherapeutInnen, die mit gesetzlichen Krankenkassen abrechnen können, ihrem Versorgungsauftrag nachkommen.

Als Konsequenz aus den erhobenen Daten und Stellungnahmen fordert die Gesundheitssenatorin Ingelore Rosenkötter eine „stadtteilbezogene bedarfsgerechte Verteilung psychotherapeutischer Praxen“. Denn ausgerechnet in den Stadtteilen, in denen Menschen leben, die aufgrund ihrer Lebensumstände besonders häufig depressiv werden, gibt es kaum TherapeutInnen.

Eine schnelle Lösung für das Problem ist jedoch nicht in Sicht. Das Gesetz erlaube keine neuen Zulassungen von PsychotherapeutInnen in der Stadt Bremen, sagte gestern Jens Kaufmann, der bei der Kassenärztlichen Vereinigung die Abteilung für Zulassungen und Genehmigungen leitet. Er bezweifelte, dass sich die Versorgungslage durch weitere TherapeutInnen grundsätzlich verbessern ließe. „Es geht doch offenbar vor allem darum, die Verteilung besser zu regeln.“ Hierzu müssten sich die Berufsverbände etwas einfallen lassen.

Im Land Bremen sind nach Schätzungen 54.000 Menschen zwischen 18 und 65 Jahren an einer Depression erkrankt. eib