Kommunen zahlen zögerlich

Ein Insolvenzfall in Morsum macht deutlich, wie schlecht die Zahlungsmoral der öffentlichen Hand sein kann. Darunter leiden vor allem mittelständische Handwerksbetriebe. Rechnungen werden zu spät oder nicht vollständig beglichen

Nach 50 Jahren Tischlereigeschichte ist Schluss. Das Morsumer Handwerksunternehmen Polar ist pleite und hat seine Geschäfte in die Hände des Bremer Insolvenzverwalters Edgar Grönda gelegt. Dem Weser-Kurier zufolge ordnete dieser als erste Maßnahme an, vorerst Aufträge aus öffentlicher Hand zu meiden.

Eine Folge dieser befremdlichen Anweisung ist die so genannte Freistellung von 38 der 71 Mitarbeiter. „Das Unternehmen hat Forderungen in Höhe von 6,7 Millionen Euro angesammelt“, sagt Tim Beyer, aus dem Büro des Insolvenzverwalters.

Vor allem Städte und Gemeinden seien dem Handwerksunternehmen noch Geld schuldig für Aufträge, die es in den vergangenen Jahren erledigte. „Polar war in diversen Bundesländern tätig, vor allem in Norddeutschland“, sagt Beyer. Polars Internetseite zeugt von diesen vielseitigen Projekten: Die Firma hat Türen und Fenster für Kindergärten, Schlösser und Wissenschaftszentren in der ganzen Republik gefertigt. Trotz dieser prestigeträchtigen Aufträge ist das Unternehmen ein Exempel dafür, wie zahlungsunwillige Kommunen Handwerksbetrieben schaden.

Ob die Forderungen in Millionenhöhe berechtigt sind, werde noch überprüft, sagt Beyer. Trotzdem hat er festgestellt, dass Kommunen tendenziell langsamer bezahlen als private Auftraggeber. Die Leidtragenden seien dann oftmals mittelständische Unternehmen wie das Fenster- und Türenwerk aus Morsum.

Für Wolfgang Hintz, den Geschäftsführer der Vereinigung der Handwerkskammern Niedersachsens (VHN), sind aber nicht nur verspätete Zahlungen der Kommunen problematisch. „Ein sehr beliebtes Mittel ist es, Mängel geltend zu machen, um nicht zu zahlen“, sagt Hintz. Denn wie private Auftraggeber seien auch Kommunen nicht selten „knapp bei Kasse“. Als Resultat würden Zahlungen oft erst kurz vor Ablauf der vereinbarten Frist geleistet.

Wie viele Unternehmen aufgrund dieser Zahlungsmoral jährlich in Insolvenz gehen, weiß der VHN-Geschäftsführer nicht. Allerdings hofft er auf eine Verbesserung der derzeitigen Situation durch die erwartete Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches, genauer des Forderungssicherungsgesetzes. Hintz verspricht sich davon nicht nur schnellere Zahlungen, sondern auch eine verbesserte Stellung der Handwerker als Subunternehmer.

Bis das Gesetz jedoch erfolgreich die Zahlungsmoral privater und öffentlicher Auftraggeber verändert, kann es für das Morsumer Unternehmen Polar schon zu spät sein. „Die Firma produziert weiter“, verspricht der Insolvenzbegleiter Tim Beyer. Um sich mittelfristig über Wasser zu halten, habe man sich mit den derzeitigen Auftraggebern darauf verständigt, Vorauszahlungen zu leisten. Ohne dieses Geld wäre es für Polar nicht möglich, sich die für handwerkliche Leistungen benötigten Materialien zu leisten. Sollte die Firma durch private Investoren wieder auf die Beine kommen, wird sie von öffentlichen Aufträgen wohl in Zukunft die Finger lassen. UTA GENSICHEN