Er kam, sah und schwitzte

Franz Müntefering ist zurück. Seine Comeback-Rede im Münchner Hofbräukeller hält er im Basta-Stil der Schröder-Zeit. „Heißes Herz und klare Kante!“, feuert er die SPD an

MÜNCHEN taz ■ Sein Hemd hat sich von Hell- in Dunkelblau verfärbt, vor lauter Anstrengung. Seine Stirn glänzt. Jemand will Franz Müntefering helfen, reicht ihm ein Handtuch. Aber Müntefering murmelt nur: „Lass mal. Ich schwitze, das dürfen alle Leute sehen.“ Das hat Müntefering seiner Partei also auch mitgebracht: eine Portion vom guten alten Gerd-Schröder-Mackertum. Bei Schröder musste eine Wahlkampfrede ja auch zu erst einmal aussehen wie harte Arbeit, Männerschweiß inklusive.

Müntefering hat am Mittwochabend im Münchner Hofbräukeller sein öffentliches Comeback gefeiert. Vor neun Monaten hatte der damalige Bundesarbeitsminister und Vizekanzler alle politischen Ämter außer seinem Bundestagsmandat abgegeben. Der 68-Jährige wollte nur noch für seine krebskranke Frau da sein, bis zu ihrem Tod Ende Juli. Das hat die SPD getroffen: Müntefering war die Integrationsfigur, mit dem alle Flügel halbwegs leben konnten.

Offiziell sollte sein erster Auftritt seit der Auszeit der Unterstützung der Bayern-SPD im Landtagswahlkampf dienen. Es wurde aber etwas anderes aus dem Abend: Münteferings Versuch, die SPD wieder auf Kurs zu bringen. Die Landtagswahl geriet in den Hintergrund.

Als Müntefering zusammen mit dem Spitzenkandidaten der bayerischen SPD, Franz Maget, den Saal betritt und sich an vierhundert jubelnden SPD-Anhängern und über hundert Journalisten vorbeischiebt, lächelt er steif. Die vergangenen Monate haben sein Gesicht älter werden lassen. Maget hält auf der Bühne eine Rede, die Kameraleute drängen sich um Müntefering. Der schreibt Autogramme.

„Die CSU ist satt. Das ist schlecht für Bayern“, sagt Müntefering, als er am Rednerpult steht. Zum CSU-Führungsduo Erwin Huber und Günther Beckstein meint er schroff: „Was sind das für Waschlappen!“

Die SPD müsse sich aber nicht nur gegen die „rechten Konservativen“, die CSU und CDU, stellen, sagt Müntefering, sondern auch gegen die „linken Konservativen, die den Himmel auf Erden versprechen“. Gemeint ist die Linkspartei.

Deren Ziele seien mit der Sozialdemokratie nicht vereinbar. „Wir wollen soziale Gerechtigkeit auf hohem Niveau. Die Wirtschaft muss schwarze Zahlen schreiben“, sagt Müntefering. „Der Sozialpolitiker, der sich nicht Gedanken macht, wo der Kuchen herkommt, der verteilt werden soll, der ist ein schlechter Sozialpolitiker.“ Müntefering redet viel von „Gerechtigkeit“, aber noch mehr von „Fortschritt“. Er zieht große Linien von Willy Brandt über Helmut Schmidt zu Gerhard Schröder.

Und er bekennt sich zu den viel kritisierten Sozialreformen, die er unter Schröder selbst mitgetragen hat: „Wir haben mit der Agenda 2010 dazu beigetragen, dass die Arbeitslosigkeit gesunken ist. Wer das verschweigt, der irrt sich“, ruft Müntefering den Genossen zu. „Ich sage nicht, dass alles, was wir gemacht haben, gut war. Aber wir dürfen uns deshalb nicht genieren.“ Was die SPD als richtig erkannt habe, müsse sie auch durchsetzen. „Das heißt: Heißes Herz und klare Kante!“, ruft Müntefering. „Das riecht nach Schweiß und Anstrengung. Aber das ist besser als Hose voll.“

Das Bild von Sozialdemokratie das Müntefering in seiner Rede zeichnet, liegt deutlich näher an der Radikalreform- und Basta-Linie der Schröder-Jahre als am Kurs unter Kurt Beck. Die SPDler in München jubeln dem Redner zu. Sie sind begeistert vom Selbstbewusstsein, das er verströmt, vom Wir-Gefühl. Sie wollen wieder stolz sein auf ihre Partei.

Müntefering meint: „Wenn einer sein Kreuz bei der SPD machen will, weil er Schröder gut fand, dann sagt dem nicht: Du musst erst das Hamburger Programm unterschreiben.“ Das war indirekt dann schon eine recht deutliche Kampfansage an Kurt Beck und den linken Parteiflügel. Welche Rolle Franz Müntefering in nächster Zeit in der SPD spielen will, darüber sagt er allerdings nichts. Bekannt ist allein, dass er sein Bundestagsmandat nun wieder voll wahrnehmen will.

BERNHARD HÜBNER