„Hauptstadtrocker“ auf der Kippe

Auch bei nebensächlichen Entscheidungen liegt Friedbert Pflüger manchmal ein wenig daneben. Als der stolze Hannoveraner Ende 2006 seine Stimme bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl abgab, da brachte er seinen Sohn Leo mit ins Wahlbüro. Das T-Shirt des 2-Jährigen zierte in Glitzerschrift das Wort „Hauptstadtrocker“.

Pflüger verlor die Wahl trotz seines Bekenntnisses zur neuen Heimat. Und das mit einem Ergebnis, das sogar noch schlechter ausfiel als die katastrophale Niederlage der Union nach dem Bruch der zehnjährigen Koalition mit der SPD 2001. Die Partei nahm es hin. Sie war froh, einen Spitzenkandidaten gefunden zu haben, der die sichere Niederlage auf sich nahm.

Pflüger entschied sich, in den Niederungen der Landespolitik zu bleiben. Er tauschte den angenehmen, aber einflussarmen Posten eines Parlamentarischen Staatssekretärs im Verteidigungsministerium gegen den zähen Job des Fraktionschefs im Abgeordnetenhaus. Damit hat Pflüger mit Anfang 50 politisch alles auf eine Karte gesetzt: Entweder gelingt ihm die Rückführung der chronisch zerstrittenen CDU an die Macht, oder die Karriere des ewigen Talents endet, bevor sie richtig begonnen hat.

Steil begann die Karriere des überzeugten Konservativen, als er mit 29 Jahren Sprecher des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker wurde. Der Exvorsitzende der Studentenvereinigung RCDS war zudem Mitglied des „Andenpakts“, in dem sich junge CDUler Anfang der 80er-Jahre Hilfe beim Erklettern der politischen Karriereleiter versprachen. Andenpaktler wie Roland Koch und Peter Müller wurden später Ministerpräsidenten. Pflügers politische Zukunft hingegen steht erneut auf der Kippe.

Überraschend verkündete der Vater zweier kleiner Kinder am Donnerstag, er wolle im Frühjahr 2009 für den Landesvorsitz kandidieren. Das ist deshalb so überraschend, weil Pflüger bislang stets beteuerte, er überlasse den Parteivorsitz mit Freuden dem Bundestagsabgeordneten Ingo Schmitt. Das Kalkül war klar: Der redegewandte Pflüger gibt den Grünen-affinen Liberalen mit Ökogewissen, und der öffentlichkeitsscheue Schmitt zügelt die kleinbürgerlichen und zerstrittenen Parteifreunde. Doch mit dieser Aufgabenteilung ist es nun vorbei, denn sie hat nichts an den konstant miserablen Umfragewerten für CDU und Pflüger ändern können.

Die Kampfkandidatur gegen den parteiintern gut vernetzten Schmitt ist deshalb eine Art Putsch aus Notwehr: Gelingt Pflüger die Machtübernahme nicht, ist seine Karriere am Ende. Nun muss der „Hauptstadtrocker“ hoffen, dass er zumindest mit dieser Entscheidung nicht daneben liegt.

MATTHIAS LOHRE