Raus aus der Provinz

Ein Frauenbasketballländerspiel wie das gegen die Ukraine hat Berlin zuletzt selten gesehen. Doch auch der überraschende Sieg kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland nicht zu den Topnationen gehört

Siggi hatte es an diesem Abend in der Charlottenburger Sömmeringhalle wirklich nicht leicht. Verzweifelt versuchte er die gut 550 Zuschauer zu mehr Stimmung zu animieren.

Siggi ist ein menschengroßer Adler mit übergroßen Schuhen und das Maskottchen der deutschen Basketballnationalmannschaft. Aber so sehr er sich auch mühte, es gelang ihm nur selten. Vielleicht waren es die Zuschauer einfach nicht gewohnt, ein Frauenbasketballländerspiel in Berlin zu bestaunen. Das letzte Gastspiel liegt nämlich schon lange zurück. Abgesehen von der Weltmeisterschaft 1998, war es zuletzt in den Fünfzigerjahren der Fall.

Berlin ist im deutschen Frauenbasketball eher Provinz. Die stärkste Mannschaft von der BG Zehlendorf wurde im letzten Jahr aufgelöst und mit Berlin Baskets gibt es nur einen Zweitligisten.

So war es sogar ein wenig überraschend, dass doch eine ordentliche Kulisse zusammenkam. Die, die gekommen waren, um das EM-Qualifikationsspiel gegen die Ukraine zu sehen, sollten nicht enttäuscht werden. Sie sahen ein engagiertes deutsches Team, das vor allem in der Defensive überzeugen konnte. Heraus sprang am Ende ein überraschender 74:65(41:26)-Erfolg. Im sechsten Spiel der Qualifikation der erste Sieg. Für den Betrachter war es kaum zu glauben, dass die Ukrainerinnen im Hinspiel noch deutlich mit 93:39 triumphiert hatten.

Aber genau in diesem Wechselbad liegt das Problem. Dem jungen und unerfahrenen Team fehlt noch die Konstanz. Es wurde in diesem Jahr ein großer Umbruch begonnen. Deutschland gehört beim Frauenbasketball derzeit nicht zu den Topnationen in Europa. „Mit dem Sieg haben wir aber zumindest bewiesen, dass wir mithalten können“, sagte Anne Breitreiner. Die 24-Jährige war mit 23 Punkten und 7 Rebounds beste Spielerin und ist im Kader eine von zwei wirklichen Profis. Sie spielt in der finanzstarken polnischen Liga.

Trotz des Sieges kann die direkte Qualifikation für die Europameisterschaft im nächsten Jahr in Lettland aber nicht mehr erreicht werden. Der letzte Platz in der Gruppe sollte aber unbedingt vermieden werden, um nicht gegen den Abstieg spielen zu müssen. „Das wäre ein Desaster“, sagt Bundestrainer Imre Szittya. Wohlwissend, dass mit der Zweitklassigkeit nicht nur Fördermittel gekürzt, sondern auch der Kampf um mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit noch schwieriger werden würde. Der temperamentvolle Ungar betreut seit 2006 die Nationalmannschaft.

Er weiß, dass sein junges Team noch Zeit braucht, aber „es hat Potenzial“, fügt er hinzu. Das werden seine Schützlinge schon am kommenden Mittwoch erneut abrufen müssen. Dann muss in Cardiff unbedingt gegen Großbritannien gewonnen werden. „Durch den Sieg gehen wir jetzt aber mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein in das Spiel“, hofft Szittya.

Bei einem Sieg bleibt die Mannschaft definitiv erstklassig und das Ziel Olympische Spiele 2012 kann weiter angegangen werden. „Wenn wir absteigen sollten, wäre das wohl nicht mehr machbar“, so Szittya. Es könnte sogar noch eine im Januar stattfindende zweite Qualifikationsrunde erreicht werden.

Dann stünden auch weitere Länderspiele auf dem Programm. Vielleicht auch wieder in Berlin. Die Akteure waren jedenfalls zufrieden. „Es war cool hier“, sagte Anne Breitreiner.

Trainer Imre Szittya ging sogar noch weiter: „Wir sind dankbar, dass wir hier sein durften.“ Der Ausrichter City Basket Berlin hofft jedenfalls auf weitere Auftritte. „Wir haben das Spiel ausgerichtet, um auf uns aufmerksam zu machen und vielleicht etwas zu bewegen“, sagt Vereinspräsident Sören Simonsohn.

Der derzeitige Regionalligist will in Berlin mittelfristig aus der Provinz wieder einen festen Bestandteil der deutschen Frauenbasketballszene schaffen und in die erste Liga aufsteigen. Auftritte der Nationalmannschaft sollen die nötige Resonanz bringen. Für die möglichen Spiele im Januar will sich City Basket jedenfalls erneut beim Deutschen Basketball Bund bewerben. „Das würden wir gerne wieder machen“, sagt Simonsohn.

Auch wenn in Marburg, Herne oder Dorsten mehr Zuschauer kommen und vielleicht auch mehr Stimmung ist. Einen Trumpf hat er in seinem Ärmel, den die anderen nicht haben. In Berlin wurde der erste Sieg errungen und die Halle bleibt für die Spielerinnen in positiver Erinnerung. Für die deutschen Korbjägerinnen war Berlin allemal eine Reise wert. NICOLAS SOWA