: Der Schatten auf der Sonnenbank
In Deutschland erkranken jährlich etwa 140.000 Menschen an Hautkrebs. Da Sonnenbanksitzungen das Krebsrisiko erhöhen, hat Umweltminister Sigmar Gabriel nun einen Solarium-Verbotsantrag für unter 18-Jährige ins Umweltgesetzbuch aufgenommen. In Hamburg hält man sich bereits daran
VON JULIAN KÖNIG
Es ist Nachmittag, als zwei 19-jährige Mädchen ein Hamburger Sonnenstudio betreten. Beide sehen aus, als wären sie frisch aus einem Karibik-Urlaub zurück gekommen. Bevor sie sich für eine Sonnenbank entscheiden, beginnen sie darüber zu streiten, wer von ihnen blasser aussieht und auf die Sonnenbank mit der höchsten Wattzahl muss. „Jacqui, du siehst aus, als wärst du krank“, sagt eine zur anderen.
Dabei verhält es sich genau umgekehrt: Wer sich allzu häufig auf die Sonnenbank legt, nimmt ein erhöhtes Risiko in Kauf, an Hautkrebs zu erkranken. Das hat nun Bundesumweltminister Gabriel veranlasst, im neuesten Entwurf des Umweltgesetzbuches ein Solarium-Verbot für Jugendliche unter 18 Jahren zu formulieren. Spätestens Mitte 2009 soll es verbindlich für alle Sonnenstudiobetreiber in Deutschland gelten. Nach Schätzungen von Eckhard Breitbart von der „Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention“ in Hamburg, gehen knapp 12 Millionen Deutsche regelmäßig auf die Sonnenbank. „Das Einstiegsalter liegt bereits bei 13 Jahren“, sagt er.
Auch Jacqui weiß, dass sie sich einem erhöhten Hautkrebsrisiko aussetzt. „Doch mir ist das egal“, sagt sie. Sie gehe bereits seit sechs Jahren auf die Sonnenbank. „Auch wenn die Spätfolgen bekannt sind, ist es schwierig den Jugendlichen das Thema nahe zu bringen“, sagt Gitta Franke-Zällmer vom Landesverband für Bildung und Erziehung in Niedersachsen. Das Solarium sei für die Jugendlichen eine Art Statussymbol. Viele Jugendliche steigern durch regelmäßige Sonnenbanksessions ihr Selbstbewusstsein, das in der Pubertät ohnehin sehr labil sei, sagt sie.
Eckhard Breitbart begrüßt das geplante Verbot. „Die Sonnenstudiobetreiber unterliegen keiner Regulierung“, sagt er und führt fort: „Wer bis zum Alter von 35 Jahren regelmäßig einmal im Monat auf die Sonnenbank gegangen ist, der erhöht das Risiko, am schwarzen Hautkrebs zu erkranken, um 75 Prozent.“ 140.000 Fälle sind es jährlich.
Eberhard N. Wüst vom Bundesfachverband Sonnenlicht Systeme hält die Verbotsdiskussion für „überzogen“ und die Argumentation von Eckhard Breitbart für „künstliche Angstmache“. Er sieht sogar einen gesundheitsfördernden Aspekt. Mit Solariumsbesuchen könne man Vitamin D-Mangel ausgleichen, unter dem laut einer Studie des Robert-Koch-Instituts in Berlin knapp 60 Prozent der Deutschen leiden. Breitbart findet diese Einschätzung bedenklich. „Die schwächste Strahlung auf der Sonnenbank entspricht der Mittagssonne am Äquator“, sagt er.
Auch Wüst ist für eine gesundheitliche Aufklärung in den Studios. „Ein gutes Sonnenstudio berät die Leute“, sagt er. Eine freiwillige Selbstregulierung sei sinnvoller als ein Verbot. „Die Zahl der Studios nimmt derzeit ab“, sagt er und ist sich sicher, dass am Ende nur noch Studios mit einer Zertifizierung vom Verband übrig bleiben werden. Aber davor haben viele Sonnenstudiobetreiber Angst. Eine Zertifizierung würde gleichzeitig bedeuten, dass sie für eventuell nicht ausreichende Beratung haftbar gemacht werden könnten. Von den knapp 4.000 Sonnenstudios in Deutschland haben sich erst um die 900 zertifizieren lassen, berichtet Wüst.
Für Breitbart ist ein bundesweites Verbot nur der Anfang. Gemeinsam mit anderen Dermatologen hat er Unterrichtsmaterialien zusammengestellt, die in Schulen zur gesundheitlichen Aufklärung beisteuern sollen. „In der Schule ist die Aufklärung über die Gefahr von Sonnenstrahlung nicht verbindlich, sondern kann in der ‚Gesundheitserziehung‘ mitbehandelt werden“, sagt Franke-Zällmer. In Niedersachsen lasse man den Lehrern innerhalb der Lehrpunkte Gestaltungsspielraum, sagt Corinna Fischer, stellvertretende Pressesprecherin des Kultusministeriums in Niedersachsen. Gitte Franke-Zällmer würde eine generelle Verankerung im Lehrplan ebenso wie Breitbart begrüßen. „ Wir müssen mehr für das Bewusstsein der Menschen tun“, sagt dieser. „Die Zahl der Neuerkrankungen nimmt jährlich um sieben Prozent zu“, erzählt Eva Kalbheim von der Deutschen Krebshilfe.
Das Sonnenstudio in Hamburg hat bereits seit Anfang 2008 ein Verbot für Jugendliche aufgenommen. „Wir lassen uns, wenn es sein muss, auch die Ausweise der Jugendlichen zeigen“, berichtet eine Angestellte. Sie könne aber nicht ausschließen, dass auch mal Minderjährige älter aussehen, als sie tatsächlich seien. „Ich habe dafür allerdings einen Blick entwickelt“, sagt sie.
Eine zweite Angestellte beugt sich nach vorn über die Theke und sagt leise: „Mein Vater ist im letzten Jahr an Hautkrebs gestorben, ich bin also erblich vorbelastet. Meine Haut hat sich auch schon merklich verändert, an vielen Stellen sind Äderchen geplatzt.“ Seither war sie nicht mehr auf der Sonnenbank. Anderen von ihren Erfahrungen berichten und von einem Besuch abraten, möchte sie aber nicht. „Die beiden Mädchen von eben müssen selbst wissen, was sie tun. Ich habe genug davon, ich brauche das zum Glück nicht mehr“, sagt sie. Dann betritt ein weiterer Kunde den Laden und verlangt die Sonnenbank mit der höchsten Strahlenstufe. Die Angestellte sagt ihm, dass er sich für nur einen Euro mehr auch 25 statt 18 Minuten bräunen könne und überreicht ihm ein Handtuch.