„Auch Chancen sehen“

Während BUND und Greenpeace CCS ablehnen, begrüßt WWF-Expertin Regine Günther Vattenfalls Forschung

REGINE GÜNTHER, 45, leitet seit 1999 das Klimareferat des World Wide Fund for Nature (WWF).

taz: Frau Günther, bisher haben Umweltverbände die CCS-Technik kritisch gesehen. Warum ist der WWF nun dafür?

Regine Günther: Wir haben unsere Position nicht verändert. Wenn wir das Ziel erreichen wollen, die weltweite Erwärmung auf maximal 2 Grad Celsius zu begrenzen, kann CCS als Brückentechnologie eine wichtige Option, die wir nicht leichtfertig ausschließen dürfen. Natürlich müssen noch viele Fragen geklärt werden. Dennoch plädiert der WWF wie viele andere Verbände dafür, auch die Chancen zu sehen, die in dieser Technik stecken.

Der BUND nennt CCS ein „Feigenblatt“, mit dem die Energiekonzerne neue Kohlekraftwerke durchsetzen wollen, obwohl völlig unklar ist, ob die Technik jemals funktioniert. Gehen Sie nicht der Konzern-Strategie auf den Leim?

Auch wir sagen, dass die angebliche Nachrüstbarkeit kein Argument sein darf: Solange CCS nicht zur Verfügung steht, fordern wir ein Moratorium für den Bau neuer Kohlekraftwerke. Und wenn die Technik dann zur Verfügung steht, muss sie verpflichtend werden – für neue und bestehende Anlagen.

Und wenn es nicht klappt?

Dann darf es keine Kohlekraftwerke mehr geben. Aber um festzustellen, ob CCS einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann, brauchen wir dringend Forschung. Eine pauschale, ungeprüfte Ablehnung dieser neuen Technologie halte ich für falsch. Darum begrüßen wir es, wenn Unternehmen Geld in die Hand nehmen und Demonstrationskraftwerke bauen.

Wäre dies Geld nicht besser in erneuerbare Energie und höhere Effizienz investiert? Europa könnte beweisen, dass die Klimaziele ohne Kohle zu schaffen sind.

Wir müssen beides machen. Natürlich müssen wir zeigen, dass Erneuerbare und Effizienz funktionieren, und den Ausbau massiv forcieren. Aber wenn man sich anschaut, mit welcher Dynamik weltweit Kohlekraftwerke gebaut werden, müssen wir auch Technologien entwickeln, um das dabei entstehende CO2 einzufangen. Und wer soll das machen, wenn nicht die Industrieländer? Die meisten Szenarien, in denen die 2-Grad-Schwelle eingehalten wird, kommen nicht ohne CCS aus.

Greenpeace hat mit der „Energy (R)evolution“ vorgerechnet, wie die Klimaziele auch ohne CCS zu schaffen sind.

Ich will Studien anderer Organisationen nicht im Detail kommentieren. Aber selbst ein solches Szenario funktioniert nur, wenn alle vorgesehenen Optionen zu 100 Prozent klappen. Alles ist auf Kante genäht. Ich habe auch in solch einem Szenario gern Rückfalloptionen, und dazu kann CCS gehören.

INTERVIEW: MALTE KREUTZFELDT