Bildung: mangelhaft

AUS BERLIN ANNA LEHMANN

Deutschland geizt bei der Bildung und bildet im internationalen Vergleich zu wenige Akademiker aus. Das dokumentiert der Bildungsbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). „Deutschland verliert an Boden“, sagte die für Bildung zuständige OECD-Direktorin Barbara Ischinger bei der Vorstellung am Dienstag.

Laut Bericht ist in Deutschland der Anteil der Wirtschaftsleistung, der in die Finanzierung von Bildung gesteckt wird – ob Kitas, Unis oder Weiterbildung –, in den vergangenen Jahren gegen den Trend in den OECD-Ländern gesunken. 2005 betrug der Anteil in Deutschland 5,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, während der OECD-Schnitt bei 6,1 Prozent lag. Die Pro-Kopf-Ausgaben für Grundschüler lagen mit rund 5.000 Dollar etwa 1.200 Dollar unter dem Betrag, den ein durchschnittliches OECD-Land pro Grundschüler ausgegeben hatte. Ischinger bemängelte, dass der Anteil von Bildungsausgaben an den gesamten öffentlichen Ausgaben in Deutschland gesunken sei, während er OECD-weit stieg. In Deutschland gebe es eine Verlagerung öffentlicher Investitionen hin zu Sozial- und Gesundheitsausgaben, sagte Ischinger und warnte: „Das könnte die globale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands auf lange Sicht gefährden.“

Die amtierende Vorsitzende der Kultusministerkonferenz und saarländische Bildungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) kommt zu einer anderen Einschätzung. Sie verwies darauf, dass die Bundesländer trotz zurückgehender Schülerzahlen ihre Ausgaben nicht kürzen wollten. Diese sogenannte Bildungsrendite summiert sich bis 2015 auf – grob gerechnet – 8 Milliarden Euro. Das Geld steckt allerdings schon im Bildungssystem und kommt nicht hinzu.

Ischinger mahnte hingegen: „Weder die öffentlichen noch die privaten Mittel zu erhöhen, das darf angesichts des zusätzlichen Bedarfs an Hochqualifizierten nicht länger die Alternative sein.“ Sie forderte auch die Wirtschaft auf, sich stärker bei der Finanzierung von Stipendien zu engagieren. Diese seien wirksamer als Kredite.

Der Bildungsbericht der OECD erscheint jährlich und vergleicht die Bildungssysteme der 30 Mitgliedsländer unter ökonomischen Gesichtspunkten. Das Urteil für Deutschland lautet „mangelhaft“. Laut Bericht stieg der Anteil der Absolventen an Fachhochschulen und Universitäten in Deutschland von 1995 bis 2006 zwar von 14 auf 21 Prozent eines Altersjahrganges an. Damit wuchs die Absolventenquote aber deutlich langsamer als im OECD-Schnitt, die sich von 20 auf 37 Prozent steigerte. Bei Deutschlands Nachbarn Niederlande und Polen schlossen sogar 43 Prozent beziehungsweise 47 Prozent eines Altersjahrgangs im Jahr 2006 ein Studium ab. Der Anteil der jungen Menschen, der sich für die Aufnahme eines Studiums entscheidet, verbesserte sich 2007 in Deutschland auf knapp 37 Prozent eines Altersjahrgangs, lag aber im OECD-Schnitt ein Jahr zuvor schon bei 56 Prozent.

Die geringe Akademikerquote schlägt sich insbesondere auf das Reservoir an Fachkräften in Naturwissenschaften und technischen Fächern nieder. Zwar brechen hierzulande weniger Studierende als OECD-weit üblich ihr Studium ab. Doch aufgrund der allgemein niedrigen Absolventenzahlen sind Ingenieure und Naturwissenschaftler unter Erwerbstätigen zwischen 25 und 34 Jahren deutlich unterrepräsentiert.

Wie die Zahl der Hochqualifizierten zu steigern sei, werde zwischen Bund und Ländern auf dem Bildungsgipfel im Oktober als Schwerpunkt diskutiert, kündigte Michael Thielen (CDU), Staatssekretär im Bundesforschungsministerium, an. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) schlägt ein elternunabhängiges Studienhonorar vor, das junge Menschen ermutigen soll, sich an Unis einzuschreiben.