Künstlerrente soll doch bleiben

Bremen und Schleswig-Holstein dementieren, dass sie die Künstlersozialkasse abschaffen wollen. Damit ist der Norden einig, bis auf Niedersachsen – obwohl die Kasse in Wilhelmshaven sitzt

In der Künstlersozialversicherung (KSK) sind rund 160.000 Freiberufler aus dem künstlerischen oder publizistischen Bereich versichert. Über die KSK erhalten Mitglieder die Hälfte ihrer Renten- und Krankenkassenbeiträge. Damit werden sie behandelt wie Festangestellte. Der Zuschuss wird teils vom Bund finanziert, zudem zahlen alle Unternehmen, die Aufträge an freie Künstler und Publizisten vergeben, auf Honorare eine Abgabe. Hintergrund ist, dass freie KünstlerInnen oft wenig verdienen: Laut KSK leben ihre Mitglieder im Schnitt von 12.600 Euro im Jahr. Die KSK hat an ihrem Sitz in Wilhelmshaven 180 Beschäftigte. est

VON ESTHER GEIßLINGER

Arme deutsche Unternehmen: Sie leiden unter „großer Verunsicherung“, müssen sich mit „nicht genau kalkulierbaren“ Beträgen herumschlagen, sehen sich überfordert durch die „Verpflichtung der Beantwortung eines mehrseitigen Fragebogens“, „insbesondere kleine und mittlere Unternehmen“ sind „bürokratischem Aufwand ausgesetzt“.

Diese Jammerarie stammt nicht etwa vom Stammtisch der örtlichen Handwerksinnung, sondern steht in einer Empfehlung mehrerer Ausschüsse, die dem Bundesrat zuarbeiten. Auf Grundlage ihrer Analyse formulierten die Referenten folgende Beschlussvorlage: „Der Bundesrat fordert, dass die Künstlersozialversicherung (KSK) abgeschafft oder zumindest unternehmerfreundlich reformiert wird.“ Betroffen davon wären die 160.000 Freiberufler, die zurzeit bei der KSK versichert sind.

Als der Entwurf bekannt wurde, hagelte es Proteste, mehrere der Landesregierungen, die den Plan angeblich unterstützt hatten, dementierten eilig: „Schlicht eine Ente“, so der Kieler Regierungssprecher Christian Hauck. Allerdings: Hauck erklärte damit nur, dass der Vorstoß nicht aus Schleswig-Holstein kam. Den Referentenentwurf gibt es durchaus – und er wird im Bundesrat abgestimmt werden, wie die Staatskanzlei in Kiel gestern auf Anfrage bestätigte. Am Dienstag berät das Landeskabinett über die Frage. „Aber Schleswig-Holstein ist gegen eine Abschaffung der KSK“, hieß es gestern bereits.

Zu den Ländern, die die Empfehlung ursprünglich unterstützten wollten, gehören auch Bremen und Niedersachsen. Dagegen stimmten unter anderem Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern. Inzwischen ist Bremen zurückgerudert, will für die KSK eintreten: „Ein Missverständnis“, so Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD).

„Ich wusste bisher nicht, dass die Ausschüsse des Bundesrats so chaotisch arbeiten“, meint Michael Hirschler, zuständig für freie JournalistInnen beim Deutschen Journalistenverband (DJV). Rund ein Viertel der KSK-Mitglieder stammen aus dem journalistischen Bereich. Es sei schwer vorstellbar, so Hirschler, „dass ein Referent im Praktikum so ein Papier in die Mappe schiebt und mal guckt, was passiert“. Zwar werde die Sache nun als Fehler der Fachebene dargestellt, „aber Fakt ist, dass der Bundesrat über das Thema abstimmen wird“.

Politischen Streit um die KSK gibt es schon länger. Zwar gilt die Pflicht der Unternehmen, Künstlersozialabgaben zu zahlen, wenn sie Leistungen von freien KünstlerInnen oder JournalistInnen einkaufen, schon seit der Gründung der Kasse vor 25 Jahren – doch neuerdings wird schärfer geprüft. Hintergrund ist, dass die Zahl der KSK-Mitglieder und damit der Bedarf an Geld gestiegen sind. Gerade Zeitungsverlage haben in den vergangenen Jahren Stellen gestrichen – JournalistInnen machten sich selbstständig und traten in die Kasse ein.

Seit im Juli 2007 die Prüfdienste der Rentenversicherung zuständig wurden, rutschen kaum mehr Unternehmen durchs Netz. Für einige gibt es ein böses Erwachen: Denn zu durchschauen, wann gezahlt werden muss, ist nicht ganz einfach. So fällt eine KSK-Gebühr an, wenn eine künstlerische Leistung „regelmäßig“ erbracht wird – nach Ansicht der KSK reicht es, wenn eine Firma einmal jährlich eine Kapelle für das Sommerfest engagiert. Das Bundessozialgericht beschäftigte sich allen Ernstes sich mit der Frage, ob ein Verein, der eine Mitgliederzeitschrift herausgibt, als „Verlag“ zu behandeln sei. Bundesweite Schlagzeilen machte das Sozialgericht Köln: Es erklärte den „Deutschland sucht den Superstar“-Juroren Dieter Bohlen zum Künstler für Sprüche wie: „Du piepst wie ein schwangerer Wellensittich“. Der Sender RTL musste rückwirkend Abgabe zahlen.

Angesichts dieser Probleme fordern Unternehmensverbände seit einiger Zeit, die KSK abzuschaffen oder zumindest zu entschärfen – wie es im aktuellen Bundesratsentwurf steht. Auf den reagierte auch die Bundesregierung: „Der Vorschlag ist unverantwortlich und völlig abwegig. Das wird niemals kommen“, erklärte Bundessozialminister Olaf Scholz (SPD). Wer Hand an die Künstlersozialversicherung lege, „versündigt sich am kulturellen Leben und am Wirtschaftsstandort Deutschland. „Erfreulich ist, dass die Politik so schnell reagiert und damit den Wert der KSK bestätigt hat“, sagt DJV-Mann Hirschler. Dennoch: Nicht alle Länder haben ihre Treue zur Sozialkasse beteuert. Aus Niedersachsen kam kein Dementi.