Gott verhüte!

Ein neues Duo infernale tourt durch die Lande: Kardinal Meisner und Fürstin Gloria von Thurn und Taxis

Was waren das noch für Zeiten, als Adel und Klerus gemeinsam bestimmten, wo es langgeht – auch und insbesondere in Fragen der Reproduktion. Der Klerus verwaltete die ausschließlich diesem Zweck gewidmete Institution Ehe, der Gutsherr bestimmte den Umfang der Kinderschar seiner Untergebenen und nahm gelegentlich das Recht der ersten Nacht für sich in Anspruch nahm.

Heute müssen die ehemals Herrschenden durch die Talkshows tingeln wie alle anderen auch, wenn sie ihr Anliegen publik machen wollen. So wie der Kölner Kardinal Meisner und die Regensburger Fürstin Gloria von Thurn und Taxis, die zwecks Werbung für ihr gemeinsames Buch „Die Fürstin und der Kardinal“ auf Sandra Maischbergers Talk-Sesselchen Platz nahmen.

Was waren das noch für Zeiten, als die Fürstin mit wilden Haaren durch die Achtziger tobte: Jetset, Skandälchen, Mode-Exzesse. Tolles Talkshowthema, aber „Menschen bei Maischberger“ gab es seinerzeit noch nicht. Heute ist die Fürstin drogenfrei und stattdessen komplett auf dem Religionstrip hängen geblieben. Pech für die etwas gequält wirkende Sandra Maischberger: kein Geschnaksel mehr, dafür wirres Geschnacke zum Thema Verhütung, Ehescheidung und Abtreibung: „46 Millionen Kinder werden abgetrieben im Jahr. Es ist die Gesellschaft, die den Massenmord betreibt. Der Staat subventioniert die Abtreibung“, assistierte sie ihrem neuen, von nervösen Gesichtszuckungen geplagten Freund Meisner, der Abtreibungen dereinst mit den Verbrechen von Hitler und Stalin verglichen hatte.

Und für ihre schwulen („contra naturam“) Kumpels, ohne die weder die wilden Haare noch die tollen Klamotten möglich gewesen wären, hat sie sie nur noch einen Rat übrig: „Viel Beten. Der steinige, steile Weg führt in den Himmel. Der breite, bequeme Weg führt in die Hölle“. Zur Strafe sieht sie aktuell ziemlich merkwürdig aus, stylemäßig betrachtet. Wenn das der Johannes wüsste – der in seinem ihm von seiner Witwe zugedachten Jenseits wahrscheinlich ganz schön ins Schwitzen geraten müsste.

Sexualaufklärung mit dem Kardinal und seiner Talar-Wanze Gloria – ein aufregender Porno mit Widergängern aus dem Ancien Régime. Beruhigend zu wissen, dass die abendländische Aufklärung verfassungsrechtlich einigermaßen in feuchten Tüchern ist: Trennung von Staat und Kirche, Abschaffung der (gottgewollten) Adelsprivilegien.

MARTIN REICHERT