Kohle aus Moorburg: Der Druck nimmt zu

Vor der Entscheidung über den Bau des Kraftwerks machen Industrie und Umweltverbände noch einmal mächtig Dampf. Während es im schwarz-grünen Gebälk knarrt, ist die SPD endgültig im Moorburg-Fanklub angekommen

„Die Abwanderungsdrohungen sind an Unredlichkeit nicht zu überbieten“

Der Countdown läuft, die Akteure bringen ihre Geschütze in Stellung. Knapp drei Wochen vor der Genehmigungsentscheidung über das Kohlekraftwerk Moorburg, die für den 30. September erwartet wird, nimmt der Druck auf Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk (GAL) zu. Industrie und Vattenfall trommeln für, Umweltverbände gegen den Kraftwerksbau und hinter den Kulissen der Koalition steigt der Adrenalinspiegel deutlich an.

Nachdem Vattenfall vergangene Woche über die taz erstmals öffentlich eine zeitweilige Reduzierung der CO2-Emissionen durch eine Leistungsdrosselung angeboten hatte, traf sich am Donnerstag hinter verschlossenen Türen der Vattenfall-Europe-Chef mit Bürgermeister Ole von Beust (CDU). Von Beust hatte dem Energieversorger im vergangenen Jahr die Baugenehmigung mündlich zugesagt, doch nach der Wahl wurde die Genehmigungsbefugnis allein in die Hände von Hajduk gelegt.

Der werfen inzwischen diverse CDU-Funktionäre hinter vorgehaltener Hand vor, gegenüber Vattenfall weder gesprächs- noch kompromissbereit zu sein. Hajduk, so ein führender CDU-Politiker, versuche, „ohne Rücksicht auf Verluste den Bau von Moorburg zu verhindern“.

Wie diese Verluste aussehen könnten, machten in dieser Woche mehrere Hamburger Industrieunternehmen klar. So drohte die Trimet Aluminium AG, Betreiberin der Hamburger Aluminiumhütte, mit der Schließung des Werkes in Finkenwerder, sollte Moorburg nicht genehmigt werden.

Flankiert wird die Drohgebärde ausgerechnet durch die SPD, die im Bürgerschaftswahlkampf noch gegen das Kraftwerk zu Felde zog. Während Bundesumweltminister Siegmar Gabriel sich mit der Bemerkung, „der Bau neuer Kohlekraftwerke“ sei „unumgänglich“ in die Diskussion einschaltete, beklagte der Hamburger SPD-Fraktionschef Michael Neumann, einen „inakzeptablen und unhanseatischen Umgang“ mit den Hamburger Industrieunternehmen, die endlich klare Aussagen zur Zukunft der Energieversorgung bräuchten. Und Markus Schreiber (SPD), Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte, munitionierte das Abwanderungsszenario noch mit der Behauptung, es sei „relativ konkret“, dass auch der niederländisch-britische Stahlproduzent „Mittal Steel“ seinen Hamburger Standort aufgeben und 600 Mitarbeiter an die Luft setzen werde, wenn Moorburg nicht komme.

Für Manfred Braasch, den Landesgeschäftsführer des BUND sind solche Drohungen „an Unredlichkeit nicht zu überbieten“. Trimet etwa beziehe derzeit seinen Strom gar nicht von Vattenfall, sondern von RWE. Für die Unternehmen sei es „relativ unerheblich, wo der Strom erzeugt würde“. Gerade die Wortführer der jetzigen Moorburg-Debatte wären in der Vergangenheit nicht durch „lokalen Strom-Patriotismus“ aufgefallen, sondern hätten stets dem „günstigsten Anbieter den Zuschlag“ gegeben. Das zeige klar, dass die Abwanderungsdrohungen wenig Substanz hätten, sondern nur dazu dienten, „die öffentliche Meinung zu drehen“.

Zu den „Meinungsdrehern“ gehört auch der Kieler Wirtschaftsminister Werner Marnette (CDU), der an den Hamburger Senat appellierte, das umstrittene Kraftwerk zu genehmigen: Gängelei führe nicht zum Erfolg, sondern nehme der Wirtschaft Planungssicherheit, verschlechtere die Wettbewerbsfähigkeit und schrecke in Hamburg und Schleswig-Holstein dringend benötigte Investoren ab, betonte er in einem Gastbeitrag der Welt. Marco Carini