berliner szenen Berlin Heinrichplatz (1)

Nach Mitternacht

Nach Mitternacht saßen wir vorm Pfeiffers. Die Plätze vorm Bateau Ivre waren wie üblich alle belegt, die Taqueria Florian und das Pfeiffers profitierten wieder von der Touristenschwemme. Wir hatten uns eben noch die ersten beiden Folgen der Sopranos angeschaut, vielleicht etwas spät, es reichte, um uns gedanklich zwischen Psychoanalyse und Mafia aufzureiben. Na ja. Die Bedienung ließ sich Zeit, ihr Hund musste sich auf dem Gehsteig übergeben, sie putzte es weg, der Hund stand etwas unglücklich wie ein benommenes Kleinkind herum, das nicht weiß, wohin mit seinem Schuldgefühl. Es ging auf halb eins zu.

Eine Freundin hatte Besuch aus Frankreich. Sie setzten sich zu uns. Sie hatten sich in Panama kennen gelernt, die Freundin war eine dieser Fernreisenden, die mit Rucksack und Reiseführer allzu gern durch allzu fremde Lande ziehen. Im Winter. Mit dem Besuch radebrechte sie auf Englisch oder Spanisch, das war schließlich die Sprache, in der sie sich kennen gelernt haben. Woher aus Frankreich?, fragte ich den Besuch in meinem schlechten VHS-Französisch. Aus Paris. Natürlich, Franzosen in Berlin kommen immer aus Paris. Ich erzählte, dass ich neulich einen anderen Pariser getroffen hatte, der sich sein Leben in Neukölln mit seiner Eigentumswohnung in Paris komplett finanzieren kann. Eine Wohnung in Paris haben, nach Berlin ziehen und nie wieder arbeiten müssen!, fasste ich zusammen. Der Pariser neben mir lächelte nur schal. Er sei gerade arbeitslos und würde keine Wohnung in Paris besitzen. Nur mieten eben, und die Mieten seien unverschämt hoch.

Es ging auf eins zu. Sie verabschiedeten sich, Julie und ich redeten noch ein wenig weiter. Über die Mafia und die Psychoanalyse. RENÉ HAMANN