: Jukebox
You got the wrong guy. I’m the Dude, man.
Die Aneignung einer fremden beweglichen Sache (§ 242, Strafgesetzbuch) kann mir für gewöhnlich lediglich ein gleichgültiges Schulterzucken entlocken, ist der Raub doch, wie mit Recht in Literatur und Film zur Genüge beschrieben, integraler Bestandteil unseres Lebens, dessen Zuspitzung auf das Wesentlich geradezu, Kapitalismus in Reinform sozusagen. Aber, Herr Brecht, aber, aber, ABER! Aber von vorn: Als Bene. S.*, Berliner Ausnahmesozialarbeiterin am Montagvormittag vor das Spandauer Arbeitsamt trat, wo sie eine ihrer etwa 280.000 Klientinnen vor der Vermittlung in die Spitzhackenputzkolonne eines Steinbruchs bewahrt hatte, konnte sie ihren Augen kaum trauen. Das, mit drei Freunden (einer davon ich) geteilte Auto, ein asienstämmiger Kleinwagen, war verschwunden. Am hellichten Tage! Auf dem Parkplatz vorm Spandauer Arbeitsamt! Weg! Die frische Tankfüllung – geschenkt. Die neue Bereifung – egal. Die Dockingstation für den totalitären Navigationskommandeur – gut so. Dass aber diese nichtsnutzigen Tage-, verzeihung, Autodiebe mein CD-Case samt der 16 darin befindlichen Tonträger (12 Orginale, 4 „Sicherungskopien“) gleich mit entwendet haben, geht entschieden zu weit! Wo kommen wir da nur hin. CCR, Bob Dylan, Joan Baez, Arlo Guthrie und vor allem: „Luxury Liner“ und „Pieces of the Sky“ von Emmylou Harris – alles weg. Dabei hören diese gemeinen Verbrecher vermutlich den ganzen Tag Babytechno und „Gangsta“-Rap und werden das Case, diese mit orangenem Verbundkunststoff ummantelte Schatzkiste, einfach aus dem Fenster werfen … Man ist versucht, so eine Art musikjournalistischer Scharia einzuführen: Nicht die Hände, die Ohren soll man ihnen abhacken!
„Pieces of the sky“! Wie kann man nur – diese Banausen wissen doch nichts anzufangen mit der herzzerreißenden Folkballade „Boulder to Birmingham“ oder dem sanften Countrystück „If I Could Only Win Your Love“. Die wissen doch nicht mal was das ist: ein Herz. Sonst könnten sie weinen zum „For No One“-Cover, sonst würden sie ihre ungewaschen Finger von fremden beweglichen Sachen lassen und im Steinbruch „Coat of Many Colors“ auf den Lippen einem ehrlichen Tagewerk nachgehen. Verdammt! DANIÉL KRETSCHMAR * Name geändert