Schwerin vor der Wahl

Nach der Abwahl von Norbert Claussen (CDU) entscheiden 80.000 SchwerinerInnen am Sonntag darüber, wer zukünftiger Oberbürgermeister ihrer Stadt werden soll. Sieben zum Teil ziemlich bunte Kandidaten stehen zur Auswahl

Fredi Sonnenschein aus Schwerin war sechs Jahre Bordellbesitzer. Am Sonntag möchte er zum Oberbürgermeister gewählt werden. Der 45 Jahre alte Parteilose wird seit Wochen in Internetforen zur anstehenden Wahl als Shootingstar gefeiert. Sonnenschein, alias Fred Kriebel, ist auch mindestens so bunt wie einst Guildo Horn.

Bei genauerem Hinsehen werden sogar Gemeinsamkeiten der Beiden offenbar: der Hang zu auffälligen Brillen sowie die Liebe zur medienwirksamen Selbstinszenierung. Wie schon der Nussecken knabbernde Horn den angestaubten Grand Prix reformierte, so will auch Kriebel Schwerin aus dem Wachkoma befreien.

In diesen Zustand verfiel die Stadt im April 2008, nachdem Oberbürgermeister Norbert Claussen (CDU) durch einen Bürgerentscheid geschasst wurde. 30.000 Bürger stimmten damals dafür, dass ihr Stadtchef für die Verwaltungspannen im Fall der verhungerten Lea-Sophie zur Verantwortung zu ziehen sei. Anstatt des formal verantwortlichen Sozialdezernenten wurde daraufhin der OB in den Ruhestand geschickt. Nun sind die Schweriner aufgerufen, unter den sieben Kandidaten einen Nachfolger auszuwählen.

Dass es nicht acht Bewerber geworden sind, haben sie dem Landeswahlausschuss zu verdanken. Dieser entschied sich im August gegen die Kandidatur des NPD-Generalsekretärs Peter Marx, der zugleich Geschäftsführer der Landtagsfraktion Mecklenburg-Vorpommern ist. Der Ausschuss zweifelte an der Verfassungstreue des NPD-Kandidaten Marx – 1999 wurde er bereits wegen Wahlbetrugs verurteilt.

Übrig bleiben sechs Männer und eine Frau, die von ganz links bis konservativ alle politischen Richtungen abdecken – keine leichte Wahl für die 80.000 Landeshauptstädter. Ist vielleicht Frank-Peter Krömer (Unabhängige Bürger) der geeignete OB-Kandidat, der sich in einer Selbstauskunft als „Ingenieur mit Humor“ bezeichnet? Oder ist das Kreuzchen besser bei Ex-Innenminister Gottfried Timm (SPD) aufgehoben, der damit wirbt, „18 Jahre politische Erfahrung im Land gesammelt“ zu haben? Manch einen Schweriner wird womöglich Angelika Gramkows Versprechen (Die Linke), kostenfreies Mittagessen an Grundschulen einzuführen, zur Wahlurne locken.

Damit dort wirklich jeder Wahlwillige ankommt, organisiert die SPD sogar einen Transport-Dienst. Hans-Peter Kruse (parteilos für die CDU) will dem Angebot der Konkurrenz in nichts nachstehen und organisiert deshalb am Sonntag sein eigenes Wahl-Taxi. Der Unternehmer möchte als neuer OB „mit Motivation und Spaß an der Arbeit“ die Stadtverwaltung bürgerfreundlicher gestalten. Wirklichen Spaß verspricht allerdings nur Fredi Sonnenschein: „100% Sonnenschein – 100% Schwerin“ lautet das Credo des ehemaligen Nachtclubbetreibers. UTA GENSICHEN