berliner szenen Konfetti gegen O2

Neue Mehrzweckwelt

„Ich geh mal nach der Suppe gucken“, sagte A. „Ich geh mal die Welt retten“, sagte ich und stieg auf das Fahrrad und fuhr in Richtung der neuen Mehrzweckhalle. Nur wenige Autos fuhren auf der gesperrten Straße, es waren überhaupt wenig Leute da. Ich rief J. an, der schon dort sein wollte. „Nein, wir sind noch nicht da. Wir haben einen Platzverweis bekommen.“ Weswegen, wollte ich wissen. „Wegen der Gefahrenprognose. Wir hatten ’ne Tasche voll Konfetti dabei. Das könne ins Auge gehen.“

Die Mercedesse fuhren vorbei und das Spreeradio spielte schlimme Musik und verloste Grönemeyer-Karten von der Bühne, die M. gewann und hinterher verzweifelt loszuwerden versuchte. Die Zivis hatten eine miese Tarnung und sahen aus wie die Thor-Steinar-Klamotten-Träger, die an der Bierbude standen. Fast wollte ich schon weinen, aber dann wurde die Bühne gestürmt und die Musik ausgeschaltet und man hörte nur noch die türkische Musik der Ramadanfeierlichkeiten nebenan.

Als der Chor „Abreißen!“ rief, leuchteten magentafarbene Herzen auf dem Riesenlichtschirm, und das war dann auch irgendwie wieder süß. Die Hunde quietschten und zogen ihre Führer hinter der Absperrung entlang. „Drinnen essen se Sushi und hier kost dit Bier 4,80“, sagte jemand. Das Mädchen, das sich bis zum Eingang vorgeschlichen hatte, um Konfetti zu werfen, hat nun Hausverbot in der neuen Mehrzweckwelt. Und hinterher, nachdem wir unter falschem Namen auch mal kurz bis zum Empfang vorgedrungen waren und plötzlich zu den anderen gehört hatten, sagte einer an der Warschauer zu mir: „Du hast ein schönes Fahrrad. Ich weiß nicht, wie ich’s sagen soll, kann ich das vielleicht mal ausleihen oder so?“ LAURA EWERT