Krönungsmesse für Stegner

Der Kandidat ist mäßig charmant, aber höchst zufrieden: Mehr als 90 Prozent der schleswig-holsteinischen SPD-Delegierten küren den Landesvorsitzenden Stegner 20 Monate vor der Landtagswahl zu ihrem Spitzenkandidaten

Minutenlanger Applaus für seine Rede und über 90 Prozent Ja-Stimmen: Auf einem Parteitag in Lübeck kürte die SPD Schleswig-Holstein ihren Landesvorsitzenden Ralf Stegner zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2010. Nun solle er noch ein bisschen mehr lächeln, riet der Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit, einer der Ehrengäste des Parteitags. Auch der ehemalige Ministerpräsident Björn Engholm fand, Stegner habe „den olympischen Lorbeer für den besten Charme im Land bisher nicht errungen“.

Stegner arbeitet schon dran: Die Fliege, früher sein Markenzeichen, ist weg, das Haar ein wenig länger als früher. In Zukunft werde er noch mehr im Land unterwegs sein, damit „die Menschen Ralf Stegner kennen lernen, wie er ist, mit Herz und Verstand“, sagte er in einem Interview. Thematisch will die SPD mit Bildungs- und Familienpolitik sowie Energiefragen punkten.

Für die Landtagswahl 2010 wollte Stegner sich nicht auf Bündnisse festlegen – und keine ausschließen. Ziel der SPD bleibe, die Linke aus dem Landtag zu halten, so Stegner im Deutschlandradio. Aber man könne ja schlecht ein anderes Volk wählen, wenn die Wahl keine klaren Mehrheiten ergeben. Daher gilt: „Mit wem man nicht redet, sind die Nazis. Mit allen anderen muss man reden können.“

Die Linke konterte sofort: „Eine Zusammenarbeit mit der SPD ist für uns nur vorstellbar, wenn die SPD ihre Politik radikal ändert“, so deren Landessprecher Lorenz Gösta Beutin. Seine Kollegin Antje Jansen fand immerhin einiges an Stegners Haltung „begrüßenswert“.

Der CDU-Vorsitzende und Ministerpräsident Carstensen gratulierte seinem Gegenkandidaten zur Nominierung, warnte aber davor, sofort mit dem Wahlkampf zu starten. Auch in der SPD war der frühe Termin des Nominierungsparteitages umstritten gewesen: Immerhin finden die Landtagswahl erst in 20 Monaten statt. Doch als Stegner im vergangenen September nach einem Streit mit der Koalitionspartnerin CDU seinen Rücktritt aus dem Kabinett erklärte, verband er das mit der Ankündigung, dass er sich zum Spitzenkandidaten wählen lassen und daher ohnehin seinen Ministerposten aufgeben wolle.

Die Rolle als selbst ernannter, durch die Partei nicht bestätigter Frontmann ist unschön. Diesen Zustand hat der Lübecker Parteitag beendet. Mit dem Ergebnis war Stegner zufrieden: „Es ist inhaltlich und personell ein starkes Signal.“ ESTHER GEISSLINGER