Mäßige Mischung

Silvesterkonzert mit Werken von Sibelius, Rihm, Ruders, Lutoslawski und Bernstein in der Musikhalle

Alle Jahre wieder begibt sich Ingo Metzmacher auf die Suche nach kleinen musikalischen Schätzen in der Musik des 20. Jahrhunderts, um diese dann seinem Silvesterkonzertpublikum zu präsentieren.

Das in diesem Jahr angebotene Spektrum an Werken war einmal mehr sehr breit, jedoch gelang dieses Mal die Mischung nicht ganz so gut wie in den Jahren zuvor. Da gab es mit einigen eher schwachen Stücken von Ibert, Liebermann, Ljadow und Ginastera ein paar lärmende Nichtigkeiten zu viel im Programm. Auf diese hätte man gerne verzichtet, jedoch nicht auf die vielen anderen Werke namhafter und weniger namhafter Komponisten von Jean Sibelius bis Witold Lutoslawski.

Das Vorspiel zu Shakespeares Sturm aus der Feder des Finnen Sibelius etwa beeindruckte durch die spannungsvolle, dabei ganz flächig angelegte, nie banal oder oberflächlich wirkende musikalische Naturschilderung. Als ebenfalls faszinierendes Stück erwies sich Lutoslawskis Interlude, das seinen Reiz aus dem Wechselspiel leicht bewegter Streicherflächen und kleiner leiser Bläser- und Schlagzeugdialoge bezog: ein subtil instrumentiertes Stück, das in Poul Ruders Stück Tundra seine wesensverwandte Entsprechung in der zweiten Programmhälfte fand.

Überstrahlt wurde das Programm jedoch von zwei Walzern. Wolfgang Rihm hat bereits vor über zwanzig Jahren einen Walzer geschrieben, der in der Verbindung von Raffinesse und melodischem Erfindungsreichtum, von handwerklichem Können und Inspiration im zwanzigsten Jahrhundert, abgesehen von einer Komposition Wilhelm Killmayers, seinesgleichen suchen dürfte: ein geniales Kleinod, vom Hamburger Staatsorchester mit Emphase dargeboten. Da stimmte alles. Und das Stück von Wilhelm Killmayer durfte dann auch nicht fehlen im Programm. Sein Walzer Zittern und Wagen wurde zum musikalischen Hochgenuss.

Die musikalische Leitfigur vieler namhafter deutscher Komponisten der Gegenwart hat in seinem Stück wienerischen Schmäh mit bajuwarischem Charme auf verblüffende Weise verbunden. Da klingt die wienerische Verlogenheit und ihre Ironisierung ebenso durch wie bayerische Hemdsärmeligkeit. Immer wieder durchbrechen melodiöse Assoziationen an Zwiefache, einem Volkstanz in wechselndem Zweier- und Dreiertakt, die Walzeroberfläche. Sie bringen für Momente eine irritierende Labilität in den Ablauf, um sich dann sogleich wieder in den sich wie von selbst drehenden Walzerrhythmus einzufügen. Schon dieses Stück hätte jede Anfahrt gelohnt.

Und dann zum Schluss wie immer, als Pendant zum Wiener Radetzkymarsch, die amerikanisch-hanseatisch-weltoffene Variante dieses Rausschmeißers, Leonard Bernsteins Mambo, schwungvoll und zupackend, schmissig und voller Drive. Schade, dass nicht öfter Silvester ist.

Reinald Hanke