Rakete für den Nachbarn

1800 Einsätze für Feuerwehr und Polizei in der Silvesternacht, fast 700 Verletzte in Krankenhäusern behandelt. Von Schill beschworener Krawall blieb aus

Es waren zwar immerhin 1.800 Einsätze für Polizei und Feuerwehr, aber ohne viele schwerwiegende Vorkommnisse – eine relativ ruhige Lage, so das Fazit der Neujahrsnacht. Und auch am Hafen tummelten sich in den letzten Stunden des vorigen Jahres Silvester mit nur knapp 20.000 Menschen weniger als üblich. Und die von der Schill-Politikern und Springer-Blättern prophezeite „heiße Nacht der Bambule-Krawalle“ entpuppte sich wieder einmal als Hirngespinst.

Vor allem das Schill-Klientel randalierte indes heftig im Silvesterrausch. PolizistInnen mussten vor allem bei alkoholbedingten Schlägereien, Wirtshausraufereien, Nachbarschafts- und Familienstreitigkeiten sowie Ruhestörungen einschreiten. In Hamburgs Krankenhäusern wurden fast 700 Menschen behandelt, zumeist wegen Verletzungen durch Stürze, Schlägereien und Feuerwerkskörper. Dies sei ein „leichter Anstieg“ gegenüber den Zahlen des Vorjahres.

Hingegen gab es zwischen Staatsmacht und linker Szene keine Probleme – auch nicht, als sich gegen 22 Uhr eine Demonstration am Schulterblatt formierte. Die Polizei ließ die rund 250 DemonstrantInnen zum Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis marschieren und dort bei Temperaturen von 10 Grad Minus eine Kundgebung abhalten. Bereits am Nachmittag hatten fast 200 Menschen am traditionellen Silvesterspaziergang zum Abschiebegefängnis Glasmoor teilgenommen.

Über 800 Einätze bilanzierte die Feuerwehr für die Neujahrsnacht: Allein 286 Brände mussten gelöscht werden, 492 Mal musste der Rettungsdienst zur Ersten Hilfe ausrücken. Doch die meisten Einsätze verliefen glimpflich. Nur vereinzelt kam es zu heftigen Verletzungen. Eine 73-jährige Rollstuhlfahrerin erstickte in Barmbek bei einem Wohnungsbrand, als sie Silvester ihren Tannenbaum in Brand setzte. Die Wiederbelebungsversuche der Feuerwehr-Sanitäter verliefen erfolglos, die Frau verstarb im Krankenhaus.

Kurz nach Mitternacht wurde einem 18-Jährigen in Steilshoop beim Zünden eines so genannten „Vogelschrecks“ der Ringfinger abgerissen. Wenige Minuten später riss in Neu-Wulmstorf ein Böller einem 43-Jährigen mehrere Finger ab. Bei der Explosion einer Gaspistole wurden einem 38 Jahre alten Mann in Neuwiedental Teile der Hand zerfetzt.

Der Feuerwehr ist indes „aufgefallen“, dass es zu ungewöhnlich vielen Balkonbrände gekommen ist. Die staatlichen Löscher erklären sich dies einerseits damit, dass dort häufig Mobiliar und Altpapier abgestellt wird, anderseits verzeichnet Feuerwehrsprecher Peter Braun auch eine neue Art von „Nachbarschaftskrieg“. Braun: „Die Leuchtrakete wird zwar aus der Flasche abgeschossen, aber so, dass sie direkt in Richtung Fenster des bösen Nachbarn fliegt.“

Etliche Böller landeten aber auf den Straßen und Wegen. Die Stadtreinigung vermeldete, sie habe mindestens 32 Tonnen Silvestermüll zusammengekehrt.

kai von appen