Der Freudentanz fällt aus

Beim Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen heißt der Sieger erstaunlicherweise nicht Sven Hannawald. Der Erste der letzten fünf Tourneespringen wird Zwölfter, es gewinnt Primoz Peterka

aus Garmisch KATHRIN ZEILMANN

Diesmal gab es keinen Freudentanz auf dem Trainerturm. Eher zerknirscht musste das deutsche Skisprung-Trainertrio Reinhard Heß, Wolfgang Steiert und Henry Glaß mit ansehen, wie die einmalige Erfolgsserie des Sven Hannawald bei der Vierschanzentournee nach fünf Einzelsiegen in Folge endete. Es siegte mit zweimal 123,5 m der Slowene Primoz Peterka, in der Gesamtwertung führt der gestern viertplatzierte Fine Janne Ahonen. Hannawald, im ersten Durchgang mit 118 m Siebter, konnte seinen zweiten Sprung von 124 m nicht stehen und wurde Zwölfter. „Der Hintern ist geprellt und die Wade auch“, zog er ein schmerzliches Fazit. Martin Schmitt verpasste den zweiten Durchgang.

Kein idealer Jahresauftakt für jene drei Männer, die seit 1994 für das Skisprung-Nationalteam verantwortlich sind und seither Erfolg auf Erfolg türmten: Heß, der Trainer der DDR-Auswahl war. Glaß, bis Anfang der 80er-Jahre selbst erfolgreicher Springer. Und Steiert, der junge, ehrgeizige Mann aus dem Schwarzwald. Vor allem dank ihrer Topathleten Jens Weißflog, Dieter Thoma, Schmitt und Hannawald gewannen sie neun Goldmedaillen bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen.

„Ich bin froh, dass Heß Cheftrainer ist“, sagt Hannawald. Denn gäbe es Heß nicht, wer weiß, vielleicht wäre Sven Hannawald längst kein Skispringer mehr. Vielleicht würde er irgendwo Nachwuchsleute trainieren und seinem erlernten Beruf Kommunikationselektroniker nachgehen. Denn Hannawald brauchte lange, bis ihm der Durchbruch gelang. Der Skiverband wollte den in seinen Leistungen auf niedrigem Niveau schwankenden Athleten mehrmals aus dem Kader nehmen, doch Heß glaubte an Hannawalds Können. Tatsächlich, seit der Saison 1997/98 zählt der heute 28-Jährige zu den besten Springern der Welt. „Ich bin Beispiel dafür, dass es sich auszahlt, an einem Schützling länger festzuhalten, als aufgrund der aktuellen Leistung angebracht wäre“, sagt Hannawald heute.

Wenn Heß auf dem Trainerturm steht und mit der Fahne seinen Athleten abwinkt, dann wirkt er streng und unnahbar. Seine Sportler bezeichnen ihn als fair, konsequent, hundertprozentig vertrauenswürdig. Er scheut die Konfrontation mit Veranstaltern, Verbänden und Managern nicht. In Fernsehinterviews sagt er oft Sätze, die in das locker-flockige „Skispringen ist ein toller Sport und alle lieben Martin und Sven“-Image von RTL nicht recht passen.

Ganz im Gegensatz zu Wolfgang Steiert. Während der kamerascheue Henry Glaß sich darauf beschränkt, im Hintergrund zu agieren, die Sprünge der Athleten mit der Videokamera aufzuzeichnen und die Trainingsumfänge zu protokollieren, ist Steiert für den Spaß in der Mannschaft verantwortlich. Er besorgt Eishockey-Karten, organisiert Ausflüge, ist der Kumpel der Springer. „Zu Steiert“, gibt Hannawald in der kürzlich erschienenen Heß-Biografie „Mehr als ein Job“ zu Protokoll, „habe ich ein freundschaftliches und lockeres Verhältnis.“ Die Beziehung zu Heß sei von Respekt geprägt, er ist eben der Chef. „Klar können wir auch gemeinsam lustig sein, aber die gemeinsame Basis ist die Sachlichkeit.“

„Wir ergänzen uns“, sagt Heß über sein Verhältnis zu Steiert. „Wenn es Dinge gibt, die zu Auseinandersetzungen führen, diskutieren wir das. Das befruchtet unsere Arbeit.“ Und Steiert meint: „Vielleicht ist das unser Trumpf: Zwei unterschiedliche Charaktere in die gleiche Richtung zu lenken.“

Wie lange Reinhard Heß noch der Mann mit der Fahne im deutschen Team bleiben wird, lässt er offen. Eigentlich wollte er nach Olympia 2002, als das Team zu Gold sprang, abtreten, doch er ließ sich überzeugen, seinen Vertrag noch einmal zu verlängern. Die Weltmeisterschaft 2005 in Oberstdorf könnte Heß noch reizen. Und ein Jahr später finden in Turin Olympische Spiele statt. Vielleicht macht er ja so lange weiter. Und auch nach dem gestrigen Debakel ist keineswegs auszuschließen, dass er in Bälde wieder mit den Kollegen Steiert und Glaß auf dem Trainerturm tanzt.