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: Monsieur Hulot in Metropolis

„Playtime“ (20.45 Uhr, Arte)

Vieles bleibt seltsam sinnleer in dieser utopischen Welt. Oder sollte man besser sagen: Vieles bleibt unsinnig? Mit „Playtime“ lieferte der Filme machende Komiker Jacques Tati 1967 eine wunderliche, hypermodernistische Antithese auf Le Corbusiers „Charta von Athen“. Eine urbane Vision, in der sich der Mythos der Funktionalität zur selbstreflexiven Warteschleife verkehren sollte. Alltägliche Handlungen als bizarr choreografiertes Filmballett. Der Mensch als Störfaktor im monochromen Spiel der Architekturen.

Er glaube, so diagnostizierte der französische Philosoph Michel Foucault in seinem 1966 erschienenen Aufsatz „Andere Räume“, dass „die heutige Unruhe grundlegend den Raum betrifft.“ Ganz in diesem Sinne ist „Playtime“ ein geradezu manisch unruhiger Film geworden. Ein Film, der den urbanen Raum der Moderne zum ebenso permanent wie selbstgefällig rotierenden Hamsterrad erklärt. Alles ist in Bewegung. Und alles führt zu nichts. So wie die Wege jener Autofahrer, für die sich ein dreispuriger Kreisverkehr ganz allmählich als die Kreisbahn eines Kinderkarussells zu erkennen gibt. So wie die ins Nichts führenden Flure der metallenen Bürokomplexe, in denen das alte poetische Paris nur noch als fernes Spiegelbild in den Glastüren existiert.

Die monumentale Kulissenstadt, zu der jene Glasfassaden gehörten, überlebte den Kinostart von „Playtime“ indes nur um wenige Monate. Verbittert und finanziell arg gebeutelt ließ Tati niederreißen, was François Truffaut später als die beeindruckendsten Filmbauten der französischen Kinogeschichte bezeichnen sollte. Tatis „Monsieur Hulot“ hatte sich in den Gängen und Häuserschluchten eines schier ungeheuren Zukunftsentwurfs verlaufen – und mit ihm das französische Kinopublikum. Den Weg an die Kinokassen zumindest fand es nicht.

Dass die urbane Welt unterdessen nur wenige Jahre später ganz ähnlich aussehen sollte, kann Jacques Tati nur schwacher Trost gewesen sein. „Confusion“, Verwirrung, hieß eines seiner letzten Filmprojekte. Es blieb, wie vieles nach „Playtime“, unvollendet. Arte zeigt den Film in einer digital überarbeiteten Version.

CLEMENS NIEDENTHAL