Die Dienstagsgeliebte

Kazama Shioris Dreiecksgeschichte „The Mars Canon“ kann in ihrer unerträglichen Langsamkeit und Trägheit nerven – doch ist einem immer ein bisschen weh ums Herz

„The Mars Canon“ ist beides: unerträgliche Langsamkeit und Trägheit, aber auch Aufbruch, Verzweiflung, rütteln, schreien. Kazama Shiori hat mit ihrem Film, der dieser Alltäglichkeit, diesem ständigen Wiederkehren, diesem Sich-nicht-wirklich-entfernen-Können in zwei Stunden breiten Raum gibt, ein ziemlich zwiespältiges Werk produziert. Zwischendurch möchte man weglaufen vor so viel belangloser Unabänderlichkeit, die durch nichts zu erklären ist als durch die Trägheit und das Gefangensein in der Sehnsucht nach Liebe ihrer Protagonisten. Kaum zu ertragen, so was. Wo man doch weiß, dass Kinuko, die Hauptdarstellerin des Films, nicht glücklich ist, jedenfalls nicht so, wie man das im Kino erwarten könnte – und dass sie auch nicht glücklich werden wird, als Einmal-in-der-Woche-Geliebte dieses wenig aufregenden Familienvaters. Aber weder Verzweiflung noch Glück scheinen eine Option zu sein. Kinuko wird nicht verrückt in ihrem Zustand, aber auch nicht glücklich – das ist einfach so und wird auch so bleiben.

Zwischendurch hängt Kinuko wie weggetreten mit ihrem Staubtuch auf der Glasauslage in ihrem klinisch-entpersonalisiertem Anti-Pop-Unternehmen, in dem Unterhaltung zu kaufen ist; Tickets für Konzerte, aber auch Ausflüge zu wolkenverhangenen Wellnessthermen. Was sie beim Staubwischen wohl denkt, fragt man sich, und man fragt sich das auch, wenn sie mit ihrem Geliebten in einem staubfreien Auto auf dem Weg zu eben einer solchen Therme sitzt. Das Abwesendsein beim Staubwischen und ihr Abwesendsein, wenn sie sich betrinkt, scheinen ihre einzigen Ausbrüche.

Kohei, der Mann, hat da schon eher Chancen, denn er ist nicht nur Ehemann und Vater und in beiden Rollen nicht unglücklich, als Liebhaber glaubt er nämlich auch noch, die Frau an seiner Dienstagsseite würde nie etwas anderes wollen, als mit ihm regelmäßig ins Stammlokal zum Essen zu gehen und danach ins Hotel.

Vielleicht ist Hijiri, die Frau, die sich in Kinuko verliebt, die Einzige im Film, die Leidenschaft kennt. Und dabei ist Hijiri so extrem passiv, in sich kauernd, abwartend, alles bietend und nichts fordernd, dass auch dies kaum zu ertragen ist. Diese Frau könnte auch die Kunst des Sich-auf-einem-Stuhl-Zusammenzusinkens über eine Filmlänge verteilen, so deutlich ist sie in ihrer Aussage, keinen Raum einnehmen zu wollen, sondern allen Raum Kinuko zu lassen – egal wie verletzend, ausnutzend und gleichgültig diese ist und bleibt.

Hijiri ist für Kinuko da, wenn Kinuko krank ist, wenn sie betrunken ist, wenn sie um zwei Uhr nachts Suppe haben will und jemanden braucht, den sie anschreien kann – um dann doch wieder mit dem im Bett zu versinken, der nie-außer-dienstags für sie da ist.

Trotz ihrer vordergründigen Passivität ist Hijiri allerdings die Einzige, die Strategien entwickelt, die sich bewegt. Sie ist das Mädchen mit Plan, denn sie will Kinuko. Dafür zieht sie in das Apartment nebenan, dafür küsst sie Kohei, um zu wissen, was Kinuko will. Nur zwischendurch brechen die beiden Frauen aus dieser Trägheit aus, nur einmal gibt es so was wie Entäußerung, und das mündet dann – natürlich – in die Katastrophe. Kinuko ist außer sich, als Hijiri ihr eröffnet, sie zu lieben.

So wie Kazama Shiori die Motivation ihres Filmemachens beschreibt, genauso ist auch der Film: „Ich weiß nicht, wie man die Fesseln des Hasses zerreißen kann. Aber ich möchte noch die kleinste Liebesempfindung würdigen – auch wenn das am Ende nichts bringt.“ Vielleicht geht es daher bei „Mars Canon“ mehr um den Kanon, das Wiederholen, das Mehrstimmige als um den Kampf, den Mars repräsentiert. Denn Kampf ist sicher nicht das dominanteste Moment in „Mars Canon“. Freilich gewinnt Hijiro am Ende, wenn Kinuko in ihre häusliche Versorgungseinheit zieht. Obwohl sie davon träumt, wieder mit Kohei die Nacht im Hotel zu verbringen. Das ist dann nicht gut oder schlecht, nicht richtig oder falsch, nicht moralisch oder unmoralisch. Das ist einfach so und heißt wohl Leben.

Obgleich das Klischee der ewig opferbereiten, sich immer willig gebenden Hijiri zeitweilig nervt, ist sie am Ende nicht das Opfer, die Frau, die sich im Geben auflöst. Genauso wenig wie Kohei, der mit seiner Tochter im heimeligen Haus von Hijiri und Kinuko zu Abend isst, unglücklich zu sein scheint. Alle sind hier irgendwie erwachsen und irgendwie kindlich – und ständig ist einem ein klein wenig weh ums Herz. ANNETTE WEBER

„The Mars Canon“. Regie: Kazama Shiori. Mit Kuno Makiko, Kohinata Fumiyo, Nakamura Mami Kee, Japan 2001, 121 Min.