Lager unter Kontrolle

Australien sieht sich erneut mit Flüchtlingsrevolten konfrontiert. Ein Grund mehr für Premierminister John Howard, an restriktiver Politik festzuhalten

aus Melbourne BORIS BEHRSING

„Alle Internierungslager für die Asylbewerber sind wieder unter unserer Kontrolle“, meldete gestern Abend der amtierende australische Einwanderungsminister Daryl Williams und beruhigte damit seine verängstigten Landsleute. Nach fünf Tagen heftiger Unruhen, Brandstiftungen und Ausbruchversuchen in den fünf Lagern, in denen die 1.326 in Australien illegal eingewanderten Flüchtlinge in Haft gehalten werden, hat die Polizei 22 angebliche Rädelsführer des Aufruhrs in Handschellen in sicherere Gefängnisse überführt.

Der Rauch schwebt noch über Villawood bei Sydney, wo in der Nacht zum Mittwoch drei Gebäude niedergebrannt waren. Auf der abgelegenen Weihnachtsinsel hatten Asylbewerber am Dienstag Feuer in einem Speisesaal gelegt. Die größten Zerstörungen hat das bei den Asylbewerbern verhasste Wüstenlager Woomera davongetragen, dessen Schließung bevorstand. Dort wurden nach Behördenaussage 43 Gebäude durch Brandstiftungen zerstört.

Die bei den Bränden entstandenen Gesamtschäden werden auf mehr als 8 Millionen australische Dollar (etwa 4,4 Millionen Euro) geschätzt. Die Regierung versucht, die Unruhen herunterzuspielen. „Es gibt keine Krise in den Lagern“, erklärte am Mittwoch Premierminister John Howard. Seine Regierung würde sich durch die Proteste der Lagerinsassen gegen ihre Lebensbedingungen nicht von ihrem harten Kurs gegenüber den als illegal bezeichneten Zuwanderern und Bootsflüchtlingen abbringen lassen, sagte Howard. Einwanderungsminister Williams betonte, nicht Asylbewerber hätten die Brände gelegt, sondern jene Insassen, die als Flüchtlinge nicht anerkannt wurden und vor der Deportation standen.

Unruhen in den australischen Haftlagern für Asylbewerber und illegale Zuwanderer sind nicht neu. Oft schon sorgten Ausbrüche, Hungerstreiks und Selbstmordversuche für weltweite Schlagzeilen. Die jüngste Aufruhrwelle, in der sich die zunehmende Verzweiflung der Asylbewerber über ihre Lebensbedingungen und die bis zu fünf Jahre dauernde Bearbeitung der Asylanträge Luft machte, erfolgt kurz nach der Vorlage eines neuen Berichts der Vereinten Nationen. Deren Inspekteure hatten von einer „dramatischen“ Lage gesprochen. Berichte über die Misshandlung von Lagerinsassen in Australien und den ausgelagerten Bearbeitungszentren für Asylbewerber in Papua-Neuguinea und Nauru taten ihr Übriges, um die Wut zu schüren.

Die Unruhen nähren die Angst der Australier, die Premier Howard nach den Bombenanschlägen von Bali geschickt nutzt, um seine restriktive Politik durchzusetzen. Sympathie mit Asylbewerbern ist derzeit nicht angesagt. Gestern forderten prominente Politiker aller Couleur die unverzügliche Deportation aller an den Unruhen beteiligter „Illegalen“. „So gewalttätige und zerstörerische Menschen wollen wir in Australien nicht haben“, hieß es bei Befragungen von Australiern auf den Straßen der Großstädte.