Kein Tabu für Job

ver.di ruft zur Offensive für die Interessen der Behinderten in Hamburger Betrieben auf. Vertrauensleute wollen psychische Barrieren knacken

„Behinderten Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe garantieren.“

von KAI VON APPEN

Es gibt sie, und sie versehen in den Betrieben ein wichtiges Ehrenamt – dennoch ist ihre Existenz in der Öffentlichkeit kaum bekannt: Die Schwerbehinderten-Vertrauensleute. „Die Aufgaben sind sehr vielseitig“, sagt Detlef Baade, Aktivist der Gewerkschaft ver.di und Vertrauensperson für Schwerbehinderte bei der Firma Eurogate im Hamburger Hafen. „Wir wollen erreichen, dass nicht nur physische Barrieren, sondern auch Barrieren in den Köpfen abgebaut werden.“

Für Hamburgs ver.di-Landesvizechef Ulrich Meinecke sind Schwerbehinderten-Vertrauenspersonen ein soziales Bindeglied im Betrieb. „Sie verhindern, dass behinderte Menschen ausgegrenzt werden und ihnen keine Perspektive gegeben wird“, betont er. In Hamburg sind von zurzeit 740.000 Arbeitnehmern laut ver.di 28.000 Schwerbehinderte. Zudem gibt es 2.855 arbeitslos gemeldete behinderte Menschen, die einen Job suchen. „Dabei sind äußerliche Behinderungen oft nur die Spitze des Eisbergs“, ergänzt Baade. 80 Prozent der Schwerbehinderungen seien organische Erkrankungen.

Nach dem Gesetz muss jedes Unternehmen ab 20 Beschäftigten eineN BehinderteN einstellen oder sonst eine Abgabe an das „Integrationsamt“ zahlen, das dann in anderen Betrieben schwerbehindertengerechte Arbeitsplätze fördert. „Viele Arbeitgeber wissen gar nicht, dass bei der Einstellung von Schwerbehinderten das Arbeitsamt und das Integrationsamt fast den gesamten Arbeitsplatz finanzieren und Teile des Lohnes erstatten“, berichtet Baade.

So sei bei Eurogate ein nach einem Arbeitsunfall querschnittsgelähmter Maler in der Disposition eingestellt worden. „Ein solche Schicksal kann jeden ereilen“, betont Baade. Der Arbeitsplatz ist dann vom Integrationsamt rollstuhlgerecht eingerichtet worden. Zuvor hatte ihm das Arbeitsamt die Umschulung bezahlt. Baade: „Er leistet heute seine Arbeit wie jeder andere auch.“

Bei der Auswahl von schwerbehinderten MitarbeiterInnen kann der Betrieb in Form der Arbeitsassistenz sogar staatliche Hilfe von Outplacement-Unternehmen in Anspruch nehmen, um für den Arbeitsplatz speziell einen geeigneten behinderten Menschen zu finden.

Aber auch in der Vorsorge können laut ver.di Schwerbehinderten-Vertrauensleute als „Personen des Vertrauens“ nützliche Funktionen erfüllen. So seien Unternehmen verpflichtet, bei einer drohenden Behinderung einen Beschäftigten „Präventionsmaßnahmen“ anzubieten, und müssten bemüht sein, eine Kündigung abzuwenden. Dabei gebe es Möglichkeiten, „Reha-Maßnahmen“ in Anspruch zu nehmen. Außerdem, so Baade gibt es „für die Verkäuferin, die nicht lange stehen kann, ein einfaches Hilfsmittel – und wenn es nur der Hocker an der Kasse ist“. Baade empfielt auf jeden Fall, die „Servicestellen“ der Rentenversicherungen für Rat und Tat in Anspruch zu nehmen.

Im Jahr 2003 – „dem Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen“ – möchte ver.di in die Offensive gehen. „Wir wollen die Schwerbehinderten-Vertretungen fit machen für die Belange, Rechte und Pflichten der behinderten und der von Behinderung bedrohten Arbeitnehmer“, sagt Meinecke. Baade setzt das Ziel weiter: „Behinderten Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu garantieren.“