ein amerikaner in berlin
: ARNO HOLSCHUH über die Cowboys in der Botschaft

Oder: Warum die Deutschen eigentlich Indianer sind

In Deutschland herrscht ein fürchterlicher, durch Vernunft nicht zu erklärender und seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gesehener Antiamerikanismus. Diese Lagebeschreibung habe ich eigentlich in sämtlichen amerikanischen Zeitungen gelesen, die ich in den Monaten vor meiner Abreise zur Hand genommen habe. Vermutlich traut sich mittlerweile kein erfahrener amerikanischer Journalist mehr in dieses Land: Wir haben nämlich schon aus den Western gelernt, was den Cowboys passiert, wenn sie durch feindliches Indianerterritorium reisen.

Aber nein, diese Information habe ich aus einer zuverlässigeren Quelle: von den tapferen „Cowboys“ der amerikanischen Botschaft. Als Stipendiat einer staatlich geförderten Stiftung durfte ich Mitte September an einer Veranstaltung mit den Repräsentanten der drei größten Abteilungen der Botschaft teilnehmen. Der Leiter der kulturellen Abteilung war in seinem Vortrag noch gut gelaunt, was freilich gut zu verstehen ist: Schließlich hören oft sogar die Linksradikalen und Autonomen amerikanische Punkmusik, wenn sie bei der Demo ihre riesigen „Fuck Bush“-Transparente ausrollen. Alles lief ganz in seinem Sinne.

Die Nachrichten der Wirtschaftsabteilung waren indes weniger erfreulich. Der kleine Mann, der einen humorvollen und gleichzeitig seriösen Eindruck machte, äußerte sich zu Arbeitslosigkeit, schwachem Wachstum und der Tatsache, dass die Deutschen immer noch nicht kapiert hätten, dass Amerikaner in wirtschaftlichen Fragen immer Recht hätten. Aber es war ihm auch irgendwie Wurscht: Wenn die Deutschen eine Politik betreiben wollten, die Unmengen von Arbeitsfähigen dazu zwingt, mit lauwarmem Bier vor dem Fernseher zu hocken, sei das im Grunde genommen kein amerikanisches Problem.

Da gab es bedeutend größere Probleme: Der Leiter der politischen Abteilung meldete sich zu Wort. „Es gab schon immer verschiedene politische Meinungen zwischen Deutschland und Amerika“, fing er an. „Wir haben aber leider feststellen müssen, dass es in Deutschland einen“ – hier zog er die erste von vielen Grimassen – „weitaus größeren Antiamerikanismus gibt, als wir vorher gedacht haben.“ Welche Erscheinungen habe der neue Antiamerikanismus? Da ist natürlich die deutsche Irakpolitik. „Für uns ist das Verhalten in der Irakfrage sowohl unerklärlich als auch unakzeptabel“, fuhr er fort. „Wir haben den Herrn Schröder auch nie um Hilfe im Irak gebeten. Worum sollten wir ihn denn bitten? Ohne die Spürpanzer werden wir wohl noch auskommen. Aber er hat es ja unbedingt für nötig gehalten, seine Meinung zu sagen – aus Gründen des Wahlkampfes.“ So eine Unverschämtheit, außenpolitische Fragen für innenpolitische Zwecke auszunutzen! Die Haltung der Bundesregierung, die jedoch auch von den meisten Bundesbürgern getragen wird, war also nicht durch Vernunft zu erklären. Es blieb nur eins: heimtückischer Antiamerikanismus!

„Also mein Rat: Bleiben Sie tapfer, und fühlen Sie sich frei, ihre Meinung ganz ehrlich zu äußern.“ Wir sollten also die Art von furchtlosen (aber aufgeklärten!) Cowboys werden, die geduldig (aber stark!) den Indianern erklären, wieso sie uns als Weiße nicht einfach erschießen sollten, auch wenn wir für sie eine willkürliche Macht darstellen. Aber irgendwie traue ich denen von der Botschaft auch nicht so richtig: Schließlich haben sie sämtliche Straßen sperren lassen, die ihr Bürohaus in Mitte umgeben. Das sieht aus, als ob sich die „Cowboys“ von der Botschaft in die Festung zurückgezogen hätten.

Arno Holschuh, 27, arbeitete als Reporter in Kalifornien und lebt derzeit als Fulbright-Stipendiat in Berlin