aus der milieubranche: proletentoaster und trüffelhobel von WIGLAF DROSTE
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Ein etwas eingecremt glänzender und teuer gekleideter Mann Mitte vierzig betrat das Restaurant. Er hätte klasse aussehen können, aber da war diese halbseidene Ausstrahlung eines Schlawiners, der sich zum Gelderwerb nicht zwischen Samen- und Sonnenbank entscheiden konnte. Jedenfalls lag er sichtlich oft und lange unter dem Proletentoaster. Als ich seine kross gebrutzelte Gesichtshaut sah, dachte ich unwillkürlich an das Sprichwort: Aus anderer Leute Leder ist gut Riemen schneiden.

Seine Begleiterin war etwa halb so alt wie er und nahm garantiert nicht an seinen Bratapfelstunden teil. Sie war mittelblond und hoch gewachsen, in ihrem Gesicht gaben sich süße Unschuld und beginnende Schnalligkeit ein Stelldichein. Sie trug einen zwei Hand breiten Rock und weiße Strümpfe: die Krankenschwesternnummer, ein deutscher Klassiker wie Goethe, Marx und der Engel von Stalingrad. Sie schien keine Angestellte des Ledernen zu sein; ich tippte eher auf seinen von anderen angestellten Damen finanzierten Mädchentraum. Schnatzig eierstöckelte sie durchs Lokal und wurde gemeinsam mit Lederlappen an den Tisch neben meinem gesetzt. Einige gediegen aussehende Gäste runzelten skeptisch die Brauen, ich aber frohlockte: Menschen aus der Milieubranche hatte ich bisher noch nicht auf Hörweite kennen lernen können.

Als die beiden Pasta mit weißen Trüffeln bekamen, war mein Ohr ganz Nebentisch. Der Küchenchef war kein Betrüger und kein kniepiger Geizkragen. Er vertickte keine gezinkte Ware, und er gönnte seinen Gästen mehr als ein dekoratives Trüffeldekor. Dennoch: Es lagen eindeutig mehr Nudeln als Trüffelspäne auf dem Teller, und das gefiel Señor Solariums Begleitung gar nicht. Sie monierte lauthals das vermeintliche Missverhältnis der Speisen. Der Ledermann winkte dem Kellner und orderte Trüffel nach.

Der Kellner flinkte an den Tisch zurück. Er hatte einen Trüffel und einen Trüffelhobel dabei – und, zu meinem Erstaunen, auch eine Briefwaage. Er legte den großen Tuber auf die Waage, bevor er zu hobeln begann. Wuchtiger, robuster Duft verbreitete sich – Trüffel verströmen Eberdunst und riechen, wie George W. Bush sich die Achsel des Bösen vorstellt. Ab und an setzte der Kellner den Trüffel vom Hobel ab und sah den Ledermann an, der wiederum zu Stöckelchen herübersah, die erst zufriedengestellt war, als die Trüffelmenge von ihrem Teller zu rutschen begann. Wieder wurde der Tuber gewogen – die Abriebdifferenz würde Nappaface später extra zahlen. Ich hörte, wie die Getrüffelte ihn mit kaum beherrschter Verärgerung anfuhr: „Was schenkst du mir auch einen Masarati? Ich will keinen Masarati. Ich will einen Porsche.“

Sollte der Gegerbte bedient gewesen sein, ließ er es sich nicht anmerken. Abermals winkte er dem Kellner und sagte leicht maliziös: „Die Rechnung, bitte. Meiner Frau ist schlecht geworden.“ Sie trollten sich, ich blieb getröstet zurück: Es gibt sie, ich habe sie gesehen, die Gerechtigkeit zwischen Mann und Frau.