VERWALTUNGSGERICHT HAT RECHT: AUSSIEDLER BELASTEN DIE SOZIALKASSEN
: Urteil gegen die Verlogenheit

Für Politiker aller Couleur gibt es ein Standardrepertoire, das sie jederzeit herunterrasseln können. Besonders beliebt ist dabei ein Wortgeklingel, das mit Realität so gut wie nichts zu tun hat. Weckt man zum Beispiel Gerhard Schröder nachts um drei und fragt ihn nach dem Hartz-Konzept, so wird er sagen: „Eins zu eins umsetzen, machen wir so schnell wie möglich!“ Reißt man dagegen Edmund Stoiber aus dem Schlaf und spricht ihn auf die Fehler der rot-grünen Einwanderungspolitik an, so schimpft er garantiert sofort im ersten Satz: „Zuwanderung in die Sozialsysteme!“ Diese vier Worte dürfen in keinem Statement der CDU/CSU fehlen. Das ist die magische Formel, mit der die Union ihren anhaltenden Widerstand gegen das Zuwanderungsgesetz begründet. Schließlich weiß jeder, was damit gemeint ist: Arbeitslose Ausländer, die uns bald massenweise auf der Tasche liegen würden – hätte die Union das Gesetz nicht gerade noch rechtzeitig in Karlsruhe gestoppt. Dass sich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nur auf die formale Abstimmung im Bundesrat bezog? Egal. Hauptsache, die Union konnte sich als Retter Deutschlands vor Ausländerfluten aufspielen.

Diese Polemik lässt sich mit sachlichen Argumenten schwerlich entkräften. Dass das rot-grüne Gesetz gar keine Ausweitung der Zuwanderung vorsieht, sondern eine Steuerung nach nationalen Interessen, ist bei allen Experten unumstritten. Doch wenn Innenminister Otto Schily vorrechnete, wie sein Gesetz die Zuwanderung sogar reduziert, wurde er vom Geschrei der Union übertönt. Stoiber & Co. führten die liberalen Ausnahmeregelungen beim Familiennachzug an, wetterten gegen den leicht verbesserten Schutz vor nichtstaatlicher Verfolgung – und ließen bewusst eine viel größere Gruppe von Zuwanderern außer Acht, deren Integration nachweislich Probleme macht: die fast 100.000 Spätaussiedler pro Jahr.

Nach dem gestoppten rot-grünen Gesetz sollten nicht nur die deutschstämmigen Antragsteller Deutschkenntnisse vorweisen müssen, sondern auch ihre Familienangehörigen. Dies hätte den Zuzug deutlich verringert. Genau das aber wollte die Union verhindern. So kleinlich sie bei verfolgten Frauen aus Somalia ist, so großzügig verhält sie sich bei deutschstämmigen Aussiedlern. Wer auf diese Diskrepanz hinweist, handelt sich schnell den Vorwurf ein, er reagiere auf die Xenophobie der Union mit Angriffen auf Aussiedler. Doch wer stellte gestern fest, fehlende Deutschkenntnisse der Aussiedlerfamilien hätten zur Folge, „dass die Sozialhaushalte belastet“ werden? Der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof – ein Gremium, das nicht gerade im Verdacht steht, rot-grüne Propaganda zu betreiben. LUKAS WALLRAFF