Rürup: Maul halten wäre schöner

Sehr zum Unmut ihres Vorsitzenden verbreiten sich die Mitglieder der Rürup-Kommission öffentlich über ihre Vorstellungen zur Gesundheitsreform: Zahnsanierungen selbst zahlen, Tabaksteuer erhöhen. Natürlich handelt es sich nur um Privatmeinungen

aus Berlin ULRIKE WINKELMANN

Man muss sich so eine Regierungskommission wahrscheinlich wie einen Sack Flöhe vorstellen, mühsam gehütet vom Kommissionsvorsitzenden.

„Gegenwärtig ist die Kommission das Forum, nicht die Öffentlichkeit“, sagte gestern ein ärgerlicher Bert Rürup, Chef der nach ihm benannten Kommission zum Umbau der Sozialsysteme, zu den jüngsten Äußerungen des Kommissionsmitglieds Bernd Raffelhüschen. Der Freiburger Volkswirtschaftler hatte weitreichende Einschnitte in der Gesundheitsversorgung gefordert. Diese Äußerungen seien „misslich“, sagte Rürup. So entstehe der Eindruck, die Kommission verfolge bereits bestimmte Pläne. Im Übrigen sei mit den Kommissionsmitgliedern Stillschweigen vereinbart.

Tja. Kaum hatte Rürup ausgesprochen, meldete sich schon das nächste Kommissionsmitglied zu Wort: Karl Lauterbach, enger Vertrauer der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und Kölner Gesundheitsökonom, erklärte eine erhöhte Tabaksteuer zu einer wunderbaren Idee. „Hohe Tabakpreise sind das Beste, was wir für die Gesundheit unserer Kinder tun können“, sagte Lauterbach zur Hannoverschen Neuen Presse.

Tags zuvor hatte Raffelhüschen der Bild-Zeitung gesagt, um das Gesundheitssystem zu erhalten, müssten sich die Versicherten darauf einstellen, Zahnbehandlungen komplett selbst zu bezahlen. Außerdem plädierte er für eine jährliche Selbstbeteiligung an Behandlungs- und Medikamentenkosten von 900 Euro pro Nase, Kinder ausgenommen. Raffelhüschen, der auch Mitglied im Wirtschaftsrat der CDU ist, vertritt somit ein Modell, wie es aus der Schweiz bekannt ist.

Dies hat er allerdings auch schon getan, bevor er überhaupt Mitglied der Rürup-Kommission wurde, die sich Mitte Dezember zum bislang ersten Mal getroffen hat. Genauer gesagt hat Raffelhüschen in Bild und gestern früh noch einmal im NDR seine Thesen erklärt, die er längst unter dem Namen „Freiburger Agenda“ veröffentlicht hat. Sie stehen auf seiner Homepage.

Gestern nun musste Raffelhüschen klarstellen, seine Äußerungen seien natürlich nicht Kommissionsmeinung: „Die Kommission meint durch Bert Rürup, ich meine als Person“, sagte Raffelhüschen zur taz. Bleibt abzuwarten, wie lange die anderen 23 Kommissionsmitglieder stillhalten. Die nächste Sitzung ist Ende des Monats.

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