Ökologischer Spagat für die Europawahl

Daniel Cohn-Bendit will bei der Europawahl im Jahr 2009 als Spitzenkandidat der französischen Grünen das „ökologische Sternensystem vereinigen“. Das ist von älteren Männern bestimmt, die sich bisher nicht grün waren

PARIS taz ■ Les Verts – die französischen Grünen – haben auf der östlichen Rheinseite den Mann gefunden, von dem sie ihre Rettung bei den Europawahlen erhoffen. „Ich bin Kandidat für einen der beiden Spitzenplätze in der Île de France“, hat Daniel Cohn-Bendit erklärt. Nachdem er wenige Tage zuvor öffentlich gesagt hatte, er brauche noch ein paar Wochen, um zu entscheiden, ob er die Liste anführen werde, reiste er am Wochenende zum CNIR, dem „Parlament“ der französischen Grünen, nach Paris und stellte sich zur Verfügung. Les Verts, die ohnehin keine Alternative zu Cohn-Bendit hatten, stimmten geschlossen für ihn.

Der Alt-68er Cohn-Bendit hat seine Kandidatur außerhalb der Instanzen von Les Verts vorbereitet. Zusammen mit Männern seiner Generation will Cohn-Bendit „das ökologische Sternensystem vereinigen“. Der große ökologische Spagat reicht von dem Gen-Mais-Schnitter, Bauerngewerkschafter und Globalisierungskritiker José Bové (1,32 Prozent bei den Präsidentschaftswahlen) über Yannick Jadot, den bisherigen Kampagnenchef von Greenpeace France, der seinen Posten in der NGO bereits an den Nagel gehängt hat, bis hin zu dem populären Fernsehjournalisten Nicolas Hulot. Letzterer hat seinen engsten Mitarbeiter vorgeschickt, um Cohn-Bendits Kampagne zu unterstützten, will aber selbst im Hintergrund bleiben. Hulot ist der umworbenste Mann aus der französischen Öko-Szene. Ebenfalls zu Cohn-Bendits Seilschaft gehören ehemalige Grüne, die zu der Zentrumspartei Modem übergewechselt sind. Auch sie haben bei den vergangenen Urnengängen Kampagne gegen Les Verts gemacht. Im Inneren von Les Verts hat Noël Mamère – einer der drei grünen Parlamentsabgeordneten in Paris – Cohn-Bendits Kandidatur mit vorbereitet.

Zu den Europawahlen im Juni 2009 müssen die Grünen ihre Liste paritätisch besetzen. Das ist gesetzlich festgelegt. Am Wochenende kündigte Cohn-Bendit in Paris als Überraschung eine Frau aus Norwegen als potenzielle Kandidatin für seine Liste an. Die Richterin Eva Joly, die in Frankreich über Finanzskandale ermittelte, bevor sie zurück nach Norwegen ging, genießt in Frankreich einen guten Ruf.

Quantitativ stellt Cohn-Bendit den französischen Grünen ein Ergebnis von „mehr als zehn Prozent“ in Aussicht. Programmatisch verspricht er eine „radikale Ökologie“. Politisch liegen die Basis und ein großer Teil der Spitze von Les Verts und Cohn-Bendit weit auseinander. Les Verts sprachen sich noch wenige Tage vor der Nominierung des Kandidaten gegen die Privatisierung der Post und anderer öffentlicher Dienste aus. Seinerseits ging Cohn-Bendit gleich nach seiner Nominierung mit zwei konfliktträchtigen Themen in die Offensive. Im Radio sprach er sich für ein neues EU-Referendum in Irland aus. Und gegen einen Verbleib des Europaparlaments in Straßburg. In Sachen EU-Verfassung hatte die Mehrheit der grünen Basis in Frankreich für ein „Non“ gestimmt. Und in Straßburg sitzen Les Verts in einer Stadtregierung, die für den Verbleib des Europaparlaments in der Stadt kämpft.

DOROTHEA HAHN