Ohne Geleitschutz

PsychologInnen mahnen: Arbeitslosigkeit führt immer häufiger zu psychischen Krisen. Die Pläne der Hartz-Kommission machen Erwerbslosen Angst

Kaum begonnen, ist der Tag auch schon wieder vorbei. Ein Blick Richtung Briefkasten, auf den geknickten Großumschlag, und Petra K. möchte sich am liebsten gleich wieder im Bett verkriechen. Was soll sie auch außerhalb, ohne Arbeit und die Perspektive, in absehbarer Zeit mal eine Zusage für einen Job in ihrem Briefkasten vorzufinden?

Die Verzweiflung, wissen die PsychologInnen der „Solidarischen psychosozialen Hilfe Hamburg“ (SPSH), ist größer geworden. Die Jobsuche wird immer auswegloser – auch für Menschen mit hoher Qualifikation. Entsprechend hat sich die Klientel der Beratungsstelle im Schanzenviertel verändert: Kamen früher vor allem Menschen mit geringem Bildungsstand und ohne Ausbildung, lassen sich heute ebenso junge Leute psychologisch beraten, die vor wenigen Monaten noch in der IT-Branche zu den Großverdienenden zählten. „Männer und Frauen, die in jungen Jahren sehr viel Geld verdient haben, müssen plötzlich erkennen, dass auch für sie nicht alles machbar ist“, erklärt SPSH-Geschäftsführer Christian Schultz. „Die Desillusionierung hat bei vielen zu psychischen Krisen geführt.“ Zumal es für ArbeitnehmerInnen in dieser Branche schon eine Katastrophe ist, nur wenige Monate ohne Job zu sein. „Früher hat die Resignation nach etwa einem Jahr regelmäßiger Absagen eingesetzt“, weiß Schultz. Heute würde für viele schon sehr viel früher eine Welt zusammenbrechen.

Deshalb begrüßt die SPSH grundsätzlich den Ansatz der Hartz-Kommission, Menschen so schnell wie möglich wieder in Arbeit bringen zu wollen. Die damit verbundenen Begleiterscheinungen allerdings, weiß Psychologin Renate Schumak, sorgen unter Arbeitslosen für starke Verunsicherung: Viele hätten Existenzängste, weil sie schon jetzt mit wenig Geld auskommen müssen und die Arbeitslosenhilfe in der jetzigen Form abgeschafft werden soll. Zudem darf man künftig beim Bezug von Unterstützung noch weniger Erspartes haben – ein Problem gerade für Ältere, die zur Absicherung im Alter jahrelang Geld beiseite gelegt hatten und damit jetzt ihre Arbeitslosigkeit finanzieren sollen.

Angst macht laut Schomak auch die neue Zumutbarkeitsregelung, nach der Arbeitslose im ganzen Bundesgebiet einen Job annehmen müssen. Und: Qualifizierungsmaßnahmen lehnt das Arbeitsamt schon jetzt fast rundweg ab. Für viele Arbeitslose ein Schlag ins Gesicht, weil ihnen andererseits „Eigeninitiative abverlangt wird“.

Laut dem Bremer Uni-Professor Thomas Kiesselbach müßte es einen „Geleitschutz“ für alle Arbeitslosen geben, um sie vor Krisen zu bewahren oder aus diesen wieder hinauszuführen. Die PsychologInnen der SPSH bieten ihre Hilfe weitgehend ehrenamtlich an. ELKE SPANNER

SPSH, Tel. 430 22 70