Das ungeliebte Urgestein

Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf sitzt seit 1984 für die Grünen im Europaparlament. Seine Basis in NRW fordert jetzt den Generationswechsel. Der 65-jährige Biobauer aber kämpft weiter FOTO: IMAGO

Am Tag nach der Niederlage gibt sich Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf kämpferisch. Natürlich werde er beim Dortmunder Bundesparteitag der Grünen im Januar um einen Listenplatz für die Europawahl kämpfen – auch ohne Unterstützung seiner nordrhrein-westfälischen Basis.

Die NRW-Grünen hatten den Öko-Landwirt aus Spenge bei Herford auf ihrem kleinen Parteitag am Sonntag abgestraft: In einer Kampfabstimmung votierte nicht einmal ein Viertel der Delegierten für das grüne Urgestein, das die Partei seit 1984 im Europaparlament vertritt. Sein Gegner, der weitgehend unbekannte kaufmännische Angestellte Peter Alberts, bekam knapp 65 Prozent.

Abgehoben sei der 65-jährige Pädagoge, der 1982 mit einer Arbeit über die „Arbeitserziehung und Sozialisation junger Bauern“ promovierte – und nötig sei ein Generationswechsel. In Ostwestfalen sei Graefe zu Baringdorf kaum zu sehen, ist aus seinem Kreisverband zu hören. Statt für die Grünen engagiere er sich immer stärker für die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Graefe zu Baringdorf ist Vorsitzender des eingetragenen Vereins, der sich als Opposition zum traditionellen Bauernverband begreift.

Umstritten ist auch die innerparteiliche Solidarität des Biobauern: Erhöhte Mitgliedsbeiträge, wie bei Abgeordneten üblich, zahlt Graefe nicht – ganz im Gegensatz zu den übrigen Parlamentariern der Grünen, die 19 Prozent ihrer Diäten an die Parteikasse abführen. Mit dem Geld finanziere er aber einen Angestellten seines seit dem Jahr 968 im Familienbesitz stehenden Hofes, rechtfertigt sich der Vizevorsitzende des Agrarausschusses des Europaparlaments. Und dieser Angestellte mache wiederum Werbung für die biologische Landwirtschaft insgesamt: „Der Hof ist ein ökologisches Vorzeigeprojekt, das mit meiner Arbeit in Verbindung steht“, sagt Graefe zu Baringdorf – und das sei auch mit dem Bundesschatzmeister der Grünen so abgesprochen. Aus der Parteizentrale dagegen ist zu hören, eine entsprechende Regelung sei bereits 1999 ausgelaufen, Graefe zahle trotz mehrfacher Aufforderung einfach nicht.

Statt in NRW will Graefe beim Bundesparteitag mit Unterstützung aus Bayern punkten. „Wenn ich in bayerischen Bierzelten vor 3.000 Leuten reden kann, komme ich nicht zum Kreisverband Herford“, sagt er. „Bedauerlich“ sei die Ablehnung durch seine Basis trotzdem. Schließlich ziehe er auch bürgerliche Wähler zu den Grünen. Ans Aufhören denkt er nicht: Gentechnik, Agrarsubventionen, Nahrungsmittelproduktion statt Biosprit – all das stehe jetzt auf der politischen Agenda, sagt Graefe – und fügt an: „Politik ist mein Leben.“ ANDREAS WYPUTTA