Feuerfeste Zigaretten lange verzögert

Trotz vieler Brandopfer: Industrie führt angeblich ungefährlichere Zigaretten nicht ein wegen Schadenersatz

BERLIN taz ■ Die Zigarettenindustrie hat anscheinend die Einführung von weniger brandgefährlichen Glimmstengeln über Jahrzehnte verzögert. So zumindest der Vorwurf von Andrew MCGuire, dem Direktor der Trauma Foundation aus San Francisco. Die Stiftung (www.tf.org) arbeitet zur Unfallverhütung und verweist darauf, dass in den USA etwa ein Fünftel der geschätzten 5.000 jährlichen Brandopfer unbeachteten Zigaretten zum Opfer fallen. Diese Zahl könnte drastisch vermindert werden, wenn Zigaretten ausgingen, so bald niemand mehr an ihnen zieht.

Laut den von McGuire ausgegrabenen internen Dokumenten der Konzerne konnte die Tabakindustrie bereits 1985 feuersichere Zigaretten herstellen, so der New Scientist in seiner Ausgabe vom 21. Dezember 2002. Sie sind im Allgemeinen etwas dünner, haben ein weniger luftdurchlässiges Papier und teilweise feuerhemmende Additive. Dadurch brennen sie nicht so heiß und verlöschen schneller.

Die Einführung solcher Zigaretten wurde von der Industrie verzögert mit dem Argument, sie würden Konsumenten nicht schmecken. McGuire fand in Gutachten von Tabakforschern genau gegenteilige Aussagen: In einem Report des Konzerns RJ Reynolds von 1993 konnten Probanden keinen signifikanten Unterschied feststellen. Genauso eine Studie von Philipp Morris aus dem Jahr 1987.

Den Grund, warum es die feuergehemmten Glimmstengel bisher kaum gibt, liegt laut McGuire ganz wo anders. Ein auf das Jahr 1983 datiertes Papier der British American Tobacco nennt Produkthaftungsgründe – wer weniger feuergefährliche Zigaretten einführt, erkennt damit indirekt an, dass die bisherigen Produkte gefährlich waren. Das könnte vor allem in den USA Schadenersatzklagen der Geschädigten oder ihrer Angehörigen nach sich ziehen.

In Deutschland gibt es jährlich etwa 650 Brandopfer, so die Europäische Allianz für Verbraucher- und Brandschutz (ACFSE). Auch hier rangieren Zigaretten weit vorne bei den Ursachen, zusammen mit Elektrogeräten und Kerzen. Nach einer Untersuchung des Vereins Children’s Health Support kommen in Deutschland etwa 70 Prozent der Toten bei Wohnungsbränden deshalb ums Leben, weil sie im Schlaf überrascht werden und an schwelenden Gasen ersticken (siehe auch www.rauchen.de).

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