Vom Versuch die Zeit zu besiegen

St. Paulis neuer Coach, Franz Gerber, befindet sich im Wettrennen mit der Uhr und braucht eine neue Geschlossenheit im Team, um schneller als der Uhrzeiger zu sein. Ein Interview über das nötige Wunder für den Klassenerhalt

von OKE GÖTTLICH

taz: Seit einer Woche trainieren sie nun den Tabellenletzten der 2. Bundesliga. Hatten sie schon genügend Zeit zu überlegen, was sie sich eigentlich angetan haben?

Gerber: Wissen sie, wenn mir und dem Team eines fehlt, dann ist es Zeit. Und mit dem Nachdenken ist es sowieso vorbei.

Sie meinen, den Kopf abzuschalten, um sich auf das kaum Machbare vorzubereiten, die Klasse doch noch zu halten?

Natürlich denken wir darüber nach, wie wir den Abstieg verhindern können. Die wichtigste Aufgabe ist, dass die Mannschaft wieder an ein gemeinsames Ziel glaubt und sich als Team präsentiert. Dann darf auch der Kopf ausgeschaltet werden.

Das sagen viele Trainer in ausweglosen Situationen.

Nein wirklich. Es gibt einige gleichgültige Gruppierungen in der Mannschaft, die wieder zusammengeführt werden müssen. Die streiten sich nicht, aber verlassen sich nicht mehr aufeinander.

Weshalb in den vergangenen Spielen Lücken zu beobachten waren, die sich durch nicht nachrückende Spieler ergaben.

Genau. Wir müssen taktisch enorme Veränderungen vornehmen, damit die Mannschaftsteile wieder ineinander greifen.

Deswegen soll der Kader verkleinert werden?

Eine Gemeinschaft kann nur durch einen reduzierten Kader erreicht werden. Sonst bricht immer wieder Unzufriedenheit bei den nicht berücksichtigten Spielern aus. Ein Zustand, den wir uns bei der schnell schwindenden Zeit nicht erlauben können. Ganz abgesehen von der Effektivität mit einer kleineren Gruppe Taktiken zu trainieren.

Was passiert mit den aussortierten Spielern?

Am besten wäre es, wenn die Spieler von sich aus auch bereit wären bei den Amateuren mitzutrainieren, weil ein Teamtraining sinnvoller ist, als ein zweites Gruppentraining. Außerdem werden die Spieler ja nicht beurlaubt oder suspendiert, sondern rücken nur in das zweite Glied zurück und können sich wieder in die erste Gruppe hochspielen.

Entfacht dieses Vorgehen nicht zusätzlich Unruhe im Team?

Bislang ist die Stimmung gut. Das Leistungsprinzip fördert die Spieler. Außerdem wird zukünftig der Situation vorgebeugt, dass vor jedem Spieltag erneut zehn Profis enttäuscht darüber sind, gar nicht am Fest teilnehmen zu dürfen.

Feste gab es in der Vorrunde nun wirklich nicht zu feiern.

Ja, aber das ist es, wo wir wieder hin müssen. Das der Spieltag wieder Festtag wird. Ich bin davon überzeugt, dass wir eine gute Rückrunde spielen werden. Entscheidend aber ist, dass ich in der Hinrunde von keinem Spiel und keinem Spieler, sagen kann: Das hat Spaß gemacht.

Das bedeutet, dass sie mit Spaß an den Nichtabstieg glauben?

Wir sind nicht so schlecht, wie es die neun Punkte aussagen. Mit drei Verstärkungen für das Mittelfeld, die Abwehr und das Tor müssen wir es schaffen, die Zeit zu besiegen. Das wäre ein ähnliches Wunder wie der Bundesligaaufstieg. Zeit haben wir wirklich keine zu verschenken.