Schlechtes Vorbild der EU-Mitgliedsländer

Studie: Beitrittsländer orientieren sich verkehrspolitisch an der bisherigen EU. Das verheißt wenig Nachhaltigkeit

BERLIN taz ■ Geblieben sind nur ein paar dürre Worte, aber darauf könnte man aufbauen: Im Dezember hatte die dänische EU-Präsidentschaft es gerade noch geschafft, die Revitalisierung der Eisenbahn auf die Tagesordnung der EU-Verkehrsminister zu setzen. Nun steht im Protokoll, man habe über die dänischen Vorschläge „eine Debatte abgehalten“ – und immerhin „weitere Untersuchungen“ verlangt.

Wie wichtig Reformen des Verkehrsunwesens mit Blick auf die Osterweiterung wären, zeigt ein Bericht der Europäischen Umweltagentur. Die Experten haben den Transportsektor in den 13 Staaten untersucht, die der EU beitreten wollen. Ergebnis: Die Beitrittsländer entfernen sich – wie auch die EU-Mitglieder – „von den wichtigsten umweltpolitischen Zielen der EU hinsichtlich Verkehr und nachhaltiger Entwicklung“. Von Estland bis Zypern würden „in rasantem Tempo die in der EU vorhandenen nicht-nachhaltigen Tendenzen“ übernommen.

Noch belaste der Verkehr in Osteuropa die Umwelt weniger als in der EU, liege sein Anteil am Energieverbrauch bei 19 Prozent (gegenüber 34 Prozent in der EU). Der Marktanteil der Bahn im Güterverkehr sei mit 40 Prozent 5-mal so groß wie in der EU, das Straßennetz noch weniger dicht. Die CO2-Emissionen seien pro Kopf 3-mal niedriger als in der EU. Zwar gebe es noch selten Fahrzeuge mit Katalysatoren, aber modernere Vehikel und verbesserte Kraftstoffe hätten einen Rückgang der Schadstoffe bewirkt.

Diese günstige Situation ändert sich nach Einschätzung der Experten jedoch rasch: Nach der Wirtschaftsflaute der Wendezeit habe das Verkehrsvolumen fast schon wieder das Niveau von 1990 erreicht. Vor allem Straßen- und Luftverkehr würden rasant zunehmen. Allein die Länge der Autobahnen habe sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt.

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt der „Europäische Verkehrsbericht 2002“ der Prognos AG, die allerdings nur fünf Beitrittsländer untersucht hat. Prognos erwartet, dass der Güterverkehr von Estland bis Slowenien bis 2015 um ein Drittel zunimmt. Wegen des Niedergangs der Schwerindustrie werde der Güterverkehr langsamer wachsen als die gesamte Wirtschaft – allerdings soll auch der Bahnanteil auf 32 Prozent fallen. Zunehmen werde dagegen die Motorisierung, heißt es. In Slowenien sei sie bereits höher als in einigen westlichen Staaten. 300 von 1.000 Osteuropäern hätten heute einen eigenen Pkw, im Jahr 2015 würden es 430 sein, für Westeuropa seien 565 Autobesitzer zu erwarten.

Trotzdem hofft der Europäische Verband für Verkehr und Umwelt, dass sich das gesamteuropäische Verkehrschaos vermeiden lässt. Er hat einen Bericht zur EU-Osterweiterung angekündigt. Interessierte können sich bereits den Entwurf bestellen. Die Schrift soll Osteuropäern zeigen, was sie von Fehlern westlicher Verkehrspolitik lernen können. Der Titel: „Be smart, don’t do it again!“ MARTIN EBNER

Report: reports.eea.eu.int/environmental_issue_report_2002_24Europäischer Verband für Verkehr und Umwelt über die Ausweitung der EU-Verkehrsnetze: www.t-e.nu/CEE/TENsEnlargement/TENs%20Position%20paper.htm